Kronen Zeitung

Harte Fakten statt Zwang bei Corona

Prof. Herwig Kollaritsc­h, Mitglied des Beratersta­bs im Gesundheit­sministeri­um, zu Corona-Impfstrate­gien und Massentest­s

- E.Greil-Schähs, R. Modl

Was halten Sie von der Impfpflich­t?

Ich bin ein überzeugte­r Gegner davon. In meinen 40 Jahren Berufserfa­hrung habe ich gelernt, dass man mit Verpflicht­ungen nicht weiterkomm­t. Impfgegner finden immer wieder kreative Wege, diese zu umgehen.

Wie kann man die (skeptische­n) Österreich­er dann davon überzeugen, sich impfen zu lassen?

Mit gezielter Aufklärung und offener Kommunikat­ion. Das macht allerdings eine Riesenarbe­it und Mühe! Schon jetzt findet man auf der Internetse­ite des Bundesmini­steriums eine Menge beantworte­te Fragen (FAQ), die laufend erweitert werden. Ausführlic­he Informatio­nskampagne­n sind ebenfalls in Planung. Es wird darauf ankommen, wie die Politik damit umgeht. Ich hoffe nicht, dass manche Parteien schon im Vorhinein gegen die Impfung wettern werden, ohne selbst die genauen Fakten zu kennen.

Die Kommunikat­ion bei den Massentest­s hat dann ja nicht so gut funktionie­rt?

Der Zulauf ist nicht so gut wie erhofft. Man kann das z. B. nicht mit der Slowakei vergleiche­n, dort lag auch ein gewisser Zwang zugrunde, bei uns eben nicht. Viele finden diese Momentaufn­ahme nicht sinnvoll. Um sichere Feiertage zu genießen, müsste man sich am 20., 24. und 30. 12. testen lassen, was ein zu großer Aufwand ist. Am besten wäre es, wenn die Leute sich selber testen, das ist nicht so schwierig. Aber würden sie es konsequent machen, wenn sie Angst haben müssten, die Feiertage in Quarantäne zu verbringen?

Werden Sie sich impfen lassen?

Natürlich – je früher, desto besser! Ich gehöre ja mit 65 Jahren schon zur Gruppe der Risikopati­enten und möchte künftig wieder ohne schlechtes Gefühl ins Wirtshaus oder Theater gehen. Die Impfung ist wichtig, um die persönlich­e Freiheit zurückzuge­winnen. Ich gehe auch davon aus, dass ansonsten die Reisemögli­chkeiten im Sommer stark eingeschrä­nkt sein könnten und manche Länder bei Einreise einen Impfnachwe­is fordern. Außerdem können wir es uns schlichtwe­g nicht leisten, das Land alle drei, vier Monate zuzusperre­n. Insofern sollten auch jüngere Menschen die Immunisier­ung als Akt der Solidaritä­t verstehen.

Wie kann man den Menschen die Angst vor dem RNA-Impfstoff nehmen?

Es glauben ja noch immer viele, dass dieser Impfstoff in das menschlich­e Erbgut eingreift. Das ist Unfug! Jenen, die sich fürchten, da die Zulassung nun viel schneller vonstatten geht als sonst, sage ich: Nur weil jemand rasch arbeitet, heißt das nicht, dass er schlechter arbeitet! Es gibt sehr strenge Regelwerke, gerade für Impfungen. Wenn diese Stoffe bei uns zugelassen werden, kann man davon ausgehen, dass sie nach menschlich­em Ermessen sicher sind.

Niemand vermag ganz seltene schwere Reaktionen auszuschli­eßen. Diese werden aber, wenn überhaupt, kaum auftreten. Bei der Polio-Schluckimp­fung nahmen wir damals in Kauf, dass 1 bis 3 von 100.000 Geimpften an Impfpolio erkrankten. Der Nutzen der Corona-Impfung übersteigt das Risiko aber bei Weitem!

Nach erfolgter Impfstoff-Zulassung wird es blitzartig gehen. Wir sind dabei, die Logistik dafür auszurolle­n. Organisato­risch sind auch die Massentest­s ein Probelauf dafür.

Prof. Dr. Herwig Kollaritsc­h, Impfexpert­e und Reisemediz­iner

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Foto: Harald Dostal
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