Völlig verrückt
Es waren verrückte Bilder, die uns aus London erreichten. Eigentlich zeigten sie nur den ganz normalen Weihnachtswahnsinn in der britischen Metropole. Doch weil in diesem Jahr eben nichts ganz normal ist, war es eben doch völlig verrückt. Geschiebe auf der Regent Street, tanzende und singende Menschen in Covent Garden – und ein ungezügelter Menschenpulk, der das Luxuskaufhaus Harrods stürmen wollte. Keine Masken, kein Abstand, kein Verstand. „Was für ein kranker Witz“, twitterte der Moderator Piers Morgan völlig richtig. „Stellt euch vor, wie sich das medizinische Personal beim Anblick dieses selbstsüchtigen, unverantwortlichen Verhaltens fühlt.“
Staus, Schlangen, Menschenmassen – damit begann auch mancherorts bei uns der erste Shopping-Tag nach dem Lockdown. Und es ist anzunehmen, dass der (Kauf-)Rausch der Sinne die Vernunft heute noch mehr im Schnäppchen-Nebel verschwinden lässt.
Sich kopflos in Rabattschlachten zu stürzen, das darf aber nicht sein in einem Jahr, in dem Ärzte und Pflegepersonal tagtäglich die erschöpfende Schlacht gegen das heimtückische Virus austragen müssen. Und bei den Bildern der Menschenmassen wohl nur zukünftige Patienten sehen. Um Atem ringende Kranke, denen sie das Leben retten müssen. Manchmal wird es ihnen nicht gelingen – und jeder Tote ist ein Mensch, der an diesem Weihnachtsfest fehlen wird.
Kein Schnäppchen ist das wert. Ganz normaler Weihnachtswahnsinn ist heuer einfach nur verrückt.