„Sind das soziale Gewissen“
Rundumschlag gegen alle Grünen-Klubchef David Ellensohn im Gespräch:
Wir sind zehn Jahre lang ohne funktionierende Opposition in der Regierung gesessen.
David Ellensohn zieht Bilanz
Nach der Demontage von Parteichefin Birgit Hebein waren die Wiener Grünen schweigsam. Nun spricht der neue, alte Klubchef David Ellensohn erstmals über die Zukunft der Partei und holt zum Rundumschlag aus: gegen die ehemalige Opposition, den roten Ex-Partner und die Führung der Bundes-ÖVP sowieso.
Herr Ellensohn, wann werden die Wiener Grünen einen neuen Parteichef bzw. eine neue Parteichefin haben?
Die Entscheidung, wann Birgit Hebein geht, obliegt ihr alleine. Sie ist bis Weihnachten 2021 gewählt. Falls sie früher zurücklegt, überlegen wir, wie schnell wir die Spitze neu aufstellen. Wir könnten trotzdem erst Ende 2021 wählen.
Möchten Sie Birgit Hebein nachfolgen?
Ich werde ganz sicher nicht Parteivorsitzender. Ich kandidiere nicht. Das habe ich intern kommuniziert.
Vor zwei Jahren wollten Sie noch unbedingt.
Nicht alles, was man früher gemacht hat, sollte man wiederholen.
Ihre eigenen Parteikollegen sprechen von bösen Intrigen. Wieso muss Birgit Hebein, die das erfolgreichste Wahlergebnis der Partei eingefahren hat, denn gehen?
Nach zehn Jahren Regierung in die Opposition zu gehen ist die größte Zäsur, die eine Partei machen kann. Das muss man mit neuen Köpfen an der Spitze machen.
Sie sind auch nicht gerade ein neuer Kopf.
Von 18 Köpfen im Klub sind 13 erst 2019 oder 2020 eingetreten. Das ist viel Erneuerung. Ein bisschen Erfahrung ist übrig geblieben. Aber vorne muss die neue Generation hin. Wir sind zehn Jahre lang ohne funktionierende Opposition in der Regierung gesessen. Das wollen wir ändern!
Welche Note geben Sie denn der alten Opposition?
Wenn ich freundlich bin, eine Vier. Wir haben uns mit der SPÖ oft gefragt, was die eigentlich tut. Die ÖVP und FPÖ waren damit beschäftigt, Wiener in Gruppen aufzuteilen und aufeinander zu hetzen. Der Rest war Vorlesen von Rechnungshofberichten.
Positionieren sich Grüne links von Rot-Pink?
Links und rechts ist im Verkehr wichtig. Wir sind das ökologische und soziale Gewissen der Stadt. Wir mussten sogar soziale Verbesserungen gegen die Sozialdemokratie erarbeiten. Vor zehn Jahren haben wir die höchste Kindermindestsicherung Österreichs erkämpft. Da Rot-Pink kein Wort davon im Programm hatte, haben wir am ersten Tag erfolgreich beantragt, dass die Kindermindestsicherung bleibt. So geht Opposition.
Beim Verkehr wird es schwierig, gegen Projekte zu sein, wenn die Grünen viele davon selbst auf Schiene gebracht haben. Stichwort: Stadtstraße.
Nein. Die SPÖ wollte eine halbe Autobahn durch den 22. Bezirk bauen. Wir wollten eine reduzierte Straße und mehr Öffis. Diese Projekte, die wir jahrelang bekämpft haben, müssten neu geprüft werden. Mit den Neos brachte die SPÖ sie nun aber in wenigen Tagen ins Rollen. Die Neos haben sich von der Autolawine der SPÖ überrollen lassen. Es kommt auch kein Abbiegeassistent. Stadträtin Ulli Sima erzählt, sie werde die Quadratur des Kreises schaffen. Es werde mehr Platz für Autos und mehr Platz für Radler geben. Als könnte sie den Platz verdoppeln.
Wie wollen Sie Opposition machen, ohne sich gegen die Grünen im Bund zu stellen?
Wir sind für Wien und die Punschkrapfen-Koalition zuständig. Den Namen haben sie sich selbst ausgesucht. Der kleinere Partner im Bund kann nicht alles durchsetzen. Aber es gibt immer klare Haltungen: Dass man Kinder aus den Lagern von Moria holt, ist das Mindeste an Menschenwürde. Die ablehnende Haltung der Führung der Volkspartei ist so herzlos, wie man es von den Freiheitlichen kennt. Das ist nicht in der gesamten Partei so, da gibt es in der ÖVP einen Riss.
Gibt es bei den Wiener Grünen einen Riss?
Jedes Mal, wenn eine Funktion frei wird, versucht irgendwer, einen Riss daraus zu konstruieren. Eine Partei hat dann Probleme, wenn sie sich inhaltlich nicht einig ist. Inhaltlich stehen die Wiener Grünen geschlossen!