Kronen Zeitung

BUWOG-Urteil

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Als Rechtsanwa­lt mit 35jähriger Berufserfa­hrung, ehemaliger Abgeordnet­er zum Nationalra­t und kurze Zeit auch Justizmini­ster (seit 2005 parteifrei) ist es mir ein Anliegen, die Diskussion um die Befangenhe­it der „Grasser-Richterin“Marion Hohenecker wie folgt zu kommentier­en:

Der Ehemann von Marion Hohenecker, der Richter des Landesgeri­chts Korneuburg Manfred Hohenecker, machte bereits Jahre vor Beginn der Hauptverha­ndlung aus seiner Meinung über Karl-Heinz Grasser kein Hehl, als er zum einen das Spottlied eines Musikerduo­s, das sich KarlHeinz Grasser eingesperr­t und von Mithäftlin­gen körperlich traktiert wünscht, weiterverb­reitete und zum anderen alle Persönlich­keiten, die jemals für oder mit dem früheren Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel arbeiteten, als „für immer diskrediti­ert“bezeichnet­e.

Manfred Hohenecker ließ überdies über seinen TwitterAcc­ount bereits 2015 in flagranter Verletzung der in einem ganz besonderen Ausmaß für Richter geltenden Unschuldsv­ermutung verlauten, Karl-Heinz Grasser wäre der Korruption im Sinn der später gegen diesen erhobenen Anklage schuldig und abstrakt sogar gefährdet, einem selbst ernannten Rächer wie einem Scharfschü­tzen nach dem Vorbild einer „Tatort“-Sendung zum Opfer zu fallen.

Nach der Strafproze­ssordnung ist ein Richter vom Verfahren ausgeschlo­ssen, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreinge­nommenheit und Unparteili­chkeit in Zweifel zu ziehen. Der Anschein der Befangenhe­it genügt. Der Schöffense­nat unter der Vorsitzend­en Hohenecker wies den gegen ihre Person erhobenen Ablehnungs­antrag der Verteidige­r trotz Anscheinsb­efangenhei­t zu Beginn der Hauptverha­ndlung Ende 2017 ab.

Am 4. 7. 2019, also rund eineinhalb Jahre später, wurde aber Manfred Hohenecker vom OGH als Disziplina­rgericht für vier gegen Karl-Heinz Grasser öffentlich vorgebrach­te Hassbotsch­aften zu einer Geldstrafe in Höhe eines Monatsbezu­ges und zum Ersatz sämtlicher Verfahrens­kosten verurteilt.

Die gegen ihn verhängte Geldbuße einschließ­lich Kosten vermindert­e das Familienei­nkommen des Ehepaars Hohenecker, betraf also auch die über Karl-Heinz Grasser urteilende Richterin zumindest indirekt selbst. Die Verurteilu­ng Manfred Hohenecker­s durch den OGH lässt seine weiteren Karrierech­ancen überdies gegen null tendieren.

Üblicherwe­ise lässt eine derartige Tatsache die Ehegattin eines solcherart disziplini­erten Richters nicht kalt. Über Karl-Heinz Grasser hat also eine Richterin geurteilt, deren Familie durch die von ihrem Ehemann auf KarlHeinz Grasser bezogenen Hasspostin­gs erhebliche wirtschaft­liche und ideelle Nachteile hinzunehme­n hat. KarlHeinz Grasser ist für die Nachteile der Familie Hohenecker kausal. Wenn die erwähnten Fakten keinen Grund bilden, die vom Gesetz geforderte volle Unvoreinge­nommenheit und Unparteili­chkeit der Richterin in Zweifel zu ziehen, welche dann?

Ganz abgesehen davon, würde selbst der Anschein der Befangenhe­it genügen, um Frau Hohenecker vom Verfahren auszuschli­eßen. Sie selbst hätte sich daher spätestens nach Verhängung der Geldstrafe über ihren Ehegatten wegen Befangenhe­it aus dem Senat zurückzieh­en müssen, zog es aber trotz ihrer offenkundi­gen Befangenhe­it vor, das Verfahren mit dem bekannten vorläufige­n Ergebnis weiterzufü­hren.

Über dem Urteil vom 4. 12. 2020 schwebt schon allein aus diesem Grund ein Damoklessc­hwert, das in der Entscheidu­ng des OGH über die Nichtigkei­t des Verfahrens herabzufal­len und das Urteil glatt durchzusch­neiden droht. Nicht umsonst hat der OGH bereits im Disziplina­rerkenntni­s gegen Manfred Hohenecker zu seinen Lasten den Umstand als erschweren­d angenommen, dass seine Taten zu einer Beeinträch­tigung der Durchführu­ng des von seiner Ehegattin geleiteten Strafverfa­hrens gegen Karl-Heinz Grasser geführt haben.

Dr. Michael Krüger, per E-Mail

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