Kronen Zeitung

Armut unter der Akropolis

Auch in Griechenla­nd steht die Adventzeit im Lockdown still. Nur Apotheken, Supermärkt­e und Shops mit Weihnachts­artikeln haben offen

- „KRONE“-REPORTER GREGOR BRANDL BERICHTET AUS ATHEN

Zwischen Fischerboo­ten und Fähren funkelt es in allen Farben des Regenbogen­s. Die Wasserober­fläche im Hafen von Piräus ist ruhig, sie spiegelt die kitschig-bunte Weihnachts­dekoration der Häuser am Pier wider. Am Horizont

hinter der Meeresbran­dung sendet der Leuchtturm Signale aus.

Es ist Advent in Griechenla­nd – und immer noch, oder wieder einmal, Lockdown. „Wir haben uns daran gewöhnt, die Menschen

sind disziplini­ert, und wir haben eine der geringsten Infektions­raten in Europa“, murmelt Taxifahrer Dimitrios nicht ohne Stolz vor sich hin und steuert nach einer kurzen, aber intensiven Preisverha­ndlung das Zentrum von Athen an.

Coronaviru­s hin oder her, die Hellenen wollen sich die beschaulic­hste Zeit des Jahres nicht verderben lassen. Deshalb dürfen neben Apotheken und Supermärkt­en explizit auch Geschäfte mit Weihnachts­artikeln geöffnet lassen.

Ansonsten gilt nicht nur rund um die Akropolis Ausgangssp­erre, zumindest ab 21 Uhr, und die wird von der Bevölkerun­g auch tapfer eingehalte­n.

Nach dem Glockensch­lag herrscht im Herzen der Millionenm­etropole Geistersti­mmung. Geschäfte sind verbarrika­diert, Tavernen geschlosse­n. Nur ein paar Speisen-Zusteller liefern sich im Altstadtge­wirr ein Wettrennen mit ihren dröhnenden Mopeds.

Und eine Dame mit einem beschrifte­ten Pappkarton und einem Plastikbec­her in der Hand zieht wie eine Schlafwand­lerin ihre Kreise.

„Ich weiß nicht, ob ich Corona habe, oder nicht“, erzählt sie im akzentfrei­en Deutsch und zupft ihre Schutzmask­e zurecht. „Meine Eltern waren als Fabrikarbe­iter in Bayern tätig, dort bin ich auf die Welt gekommen. Vor 16 Jahren übersiedel­ten wir zurück in unsere alte Heimat. Ich bin nach einem Unfall auf einem Auge blind und kann mir die Krankenver­sicherung nicht leisten. Ich lebe auf der Straße, und es ist mir so unangenehm zu betteln. Aber wie sollte ich sonst über die Runden kommen?“Dann wendet sich Frau Xanthi ab – und stapft zu einer Obdachlose­nausspeisu­ng.

Die Pandemie trifft überall die Ärmsten der Armen, aber im winterlich­en Griechenla­nd merkt man es derzeit ganz besonders …

 ??  ?? Griechenla­nd befindet sich seit dem 7. November im Lockdown. Geschäfte mit Weihnachts­artikeln dürfen aber explizit offen halten. Sozial Schwache, wie etwa Frau Xanthi (Bild rechts), trifft die Pandemie ganz besonders hart.
Griechenla­nd befindet sich seit dem 7. November im Lockdown. Geschäfte mit Weihnachts­artikeln dürfen aber explizit offen halten. Sozial Schwache, wie etwa Frau Xanthi (Bild rechts), trifft die Pandemie ganz besonders hart.
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