Klischee und Wahrheit
Äthiopien gilt als eines der fortschrittlichsten Länder Afrikas, dennoch ist die Armut groß. Ein Vielvölkerstaat mit großen Problemen.
Äthiopien ist mit über 80 ethnischen Gruppen und zahlreichen Sprachen ein Vielvölkerstaat und zugleich mit 112 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Binnenstaat der Welt. Obwohl nur sechs Prozent der Bevölkerung Tigray sind, ist es eine der einflussreichsten Ethnien Äthiopiens. Die Volksbefreiungsfront von Tigray, kurz TPLF, und ihr politischer Arm waren die beherrschende Kraft in der Koalition Revolutionäre Demokratische Front der Äthiopischen Völker (EPRDF), die Äthiopien seit dem Sturz der sozialistischen MengistuDiktatur
1991 bis 2019 mit autoritären Mitteln regierte.
Äthiopien war neben Liberia das einzige afrikanische Land, das keiner Kolonisation unterworfen war, wenn man von der italienischen Besetzung 1936 bis 1941 absieht. Stand Äthiopien während der 1980er als Synonym für ein Hunger leidendes Afrika, so galt es im 21. Jahrhundert als fortschrittlichstes Land des Kontinents. Es ist Klischee und Wahrheit zugleich.
Obwohl Äthiopiens Wirtschaft wächst, sind laut WHO noch immer fast 50 Prozent der Bevölkerung unterernährt. 1998 brach der Konflikt mit Eritrea wegen Grenzstreitigkeiten wieder aus. Erst nach zwanzig Jahren und 100.000 Toten konnte der Krieg 2018 beendet werden. Präsident Abiy Ahmed erhielt dafür den Friedensnobelpreis. Seine Versöhnungspolitik schwächt die Macht der Tigray-Partei und sorgt für Konflikte.