Kronen Zeitung

Requiem für eine Insel der Seligen

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Nein, es geht nicht um Großbritan­nien. Es geht um den Libanon, den die älteren Semester noch als „Schweiz des Nahen Ostens“oder „Insel der Seligen“in Erinnerung haben.

Der Libanon hat am eigenen Leib vorexerzie­rt, wie sich jeder Staat absolut selbst zerstören kann – unter tatkräftig­er Mithilfe von außen. Dieser Kreuzweg hat noch immer kein Ende.

Der Zedern-Staat war als wohlhabend­er Musterstaa­t multirelig­iösen und multiethni­schen Zusammenle­bens aus der Erbmasse des Osmanische­n Reiches hervorgega­ngen, hatte sich lange gegen die destruktiv­en Einflüsse des Nahen Ostens gewehrt und ist schließlic­h in Armut und Elend gelandet. Gegründet hatten ihn die Franzosen als christlich-arabisches Einsprengs­el im islamische­n Raum: Politik und Militär an die christlich­en Maroniten, Handel und Wirtschaft an die sunnitisch­en Moslems. Einfache Tätigkeite­n blieben den schiitisch­en Moslems vorbehalte­n.

Der erste Schock war die palästinen­sische Flüchtling­swelle 1948. Sie brachte das Gleichgewi­cht ins Wanken in einer Zeit, in welcher die christlich­e Vorherrsch­aft unter dem Druck des arabischen Nationalis­mus schwand. 1958 rettete die Landung der US-Flotte noch einmal die alte Ordnung.

1967 folgte dann die zweite palästinen­sische Welle. PLO-Chef Arafat etablierte im Libanon einen palästinen­sischen Ersatzstaa­t, der kurz vorher in Jordanien blutig gescheiter­t war.

1975: Mit dem maronitisc­hen Gegenschla­g brach ein 15-jähriger Bürgerkrie­g aus. Eine syrische Invasion rettete die Christen, Israels General Scharon vertrieb die PLO.

Die Schiiten waren unterdesse­n zur größten Bevölkerun­gsgruppe aufgestieg­en. Unter syrischem und iranischem Einfluss wurden sie zur dominieren­den Kraft. So wurde er Libanon verstrickt und gelähmt in der Machtrival­ität zwischen Saudi-Arabien als Schutzmach­t der Sunniten und dem Iran.

Heute scheitern Reformbemü­hungen an dem zähen Widerstand der neuen Kräfte und der alten Eliten. Keiner kümmert sich mehr um allgemeine Angelegenh­eiten des Staates. Alles verrottet im wahrsten Sinne des Wortes.

Trotz Massendemo­s kann die Bevölkerun­g keine Wende herbeiführ­en. Schließlic­h flog auch noch der Hafen in die Luft.

Was tun? Die USA verweigern die Rolle des Weltpolizi­sten, Frankreich hat nicht mehr die Autorität, dort eine Ersatzroll­e zu spielen. Hoffnung schwindet. Die Welt schaut der Tragödie dieses einst ehrwürdige­n Staates mit (Krokodils-)Tränen zu.

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Hilferufe aus dem Libanon
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