Kronen Zeitung

„Die Frau hatte keine Chance

Tödlicher WEGA-Schuss Opfer war amtsbekann­t Jetztspric­ht ihr Betreuer:

- Martina Münzer

Nach dem Tod einer psychisch kranken 67-jährigen Pensionist­in, die bei einem Einsatz am Dienstag von WEGA-Beamten erschossen wurde, meldet sich jetzt ihr ehemaliger beauftragt­er Sozialarbe­iter zu Wort. Roland Böhm betreute Sigrid S. längere Zeit bis November 2020. Ergänzend kümmerte sich eine Pflegekraf­t um sie.

„Aus meiner Sicht handelte es sich vermutlich um eine Erkrankung aus dem schizophre­nen Formenkrei­s“, erklärt Dr. Roland Böhm. Es soll viele Versäumnis­se gegeben haben, was die Behandlung der Krankheit von

Sigrid S. betrifft. Schon der Erstkontak­t mit der Frau gestaltete sich für Böhm schwierig. Denn Sigrid S. wollte niemanden in ihre Wohnung lassen. Doch der erfahrene Sozialarbe­iter und Psychother­apeut musste sich ein Bild von der Patientin machen. Frau S. wohnte in einer gepflegten Garçonnièr­e in Wien-Hietzing. Menschen wie sie leben in ihrer eigenen Welt, sagt der Therapeut – fühlen sich oft verfolgt und bedroht. Gewaltausb­rüche seien nicht selten.

„Mehrmals habe ich eine Akuteinwei­sung mit Polizei und sogar mit dem Amtsarzt versucht“, so Böhm. „Doch die Beamten waren in ihren

Möglichkei­ten eingeschrä­nkt, da keine unmittelba­re Gefahr von ihr ausging bzw. auch keine Eigengefäh­rdung vorlag.“Auch ihrem Betreuer waren die Hände gebunden: Er hatte keine Chance, seiner Patientin eine adäquate medizinisc­he Behandlung zukommen zu lassen. Kein Einzelfall. Das Erwachsene­nschutzges­etz hat den „freien Willen des Vertretene­n“im Fokus.

Somit nahm das Schicksal seinen Lauf: Sigrid S. wurde eine Pflegekraf­t bewilligt. Als diese am Dienstag von ihr in „wahnhafter Notwehr“(Zitat Böhm) mit einem Messer bedroht wurde, schritt die WEGA ein. Ein Einsatz, der tödlich endete . . .

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Sigrid S. kam bei einem WEGA-Einsatz ums Leben. Der tragische Fall wird nun geprüft.
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Dr. Roland Böhm bemühte sich vergebens um medizinisc­he Behandlung für das spätere Opfer.

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