Der Aussteiger
Alsdann, de Gschicht war a so“, berichtete Herr T. dem Bezirksrichter. „I steh letztn Winter in aner vollbesetzten Straßenbahn, fangt aner mit mir ins Plaudern an und sagt, er fahrt so wia i bis zur Endstation. Sag i: ,I hab Ihna no nie gsehn. San S leicht früher mitn Auto gfahrn?‘
,Ja‘, hat er gsagt. ,Des stimmt. Aber i habs aufgebn. I bin nimmer so teppert, dass i nur mehr fürs Auto arbeit. Des haaßt, i muass fürs Auto zahln, selbst wanns gar net fahrt. Des Benzin is net grad billig, und de Versicherung, de Vignette und des Parkpickerl fürn Bezirk san ja a ka Schmarrn. Und überall san Kurzparkzonen. I hab überhaupt mei Leben geändert. Früher war i a Streber und hab mei Gesundheit für schnöden Mammon geopfert, i hab garbeit wia a Wülder. Jetzt leb i wia a Wülder mit wenig Arbeit und ernähre mich doch. Was bringt denn der Stress, frag i Ihna. Nix wia de Managerkrankheit, und a Manager werdn S trotzdem net. I hab alles radikal reduziert und wohn jetzt, wo i ka Streber mehr bin, in Strebersdurf in an Schrebergartn, wo i tuan und lassn kann, was i wüll. I bin a Tuarer und a Lasser, i tua nimmer vül und lass in Herrgott an guatn Mann sein, weil i hab scho gnua mitgmacht in mein Leben. I war zuerst a Blauer, a Zeit lang a Schwarzer und dann a Roter, jetzt bin i a Grüner, und wann i aa scho a Grauer wia und demnächst a Weißer, weil ma des Alter de Haare bleicht, so hab i mi do no nie so gsund gfühlt wia jetzt. Was brauch i de Hetzerei, i hab mei Hetz daham und fahr gmüatlich mit der Straßenbahn von aner Endstation zur andern; und wann mi aner fragt, so wia Se, warum i ka Auto mehr hab, den kann i nur sagn: I brauch kans. I brauch überhaupt kan Komfort. I hab alls aufgegeben, i fühl mi vül wohler so. I bin a Aussteiger!‘
Und wia er des gsagt hat, is de Straßenbahn bei aner Haltstell stehbliebn und zwa Leit habn eahm packt und habn eahm bei der Tür aussedruckt. Er hat nimmer einekönna, jetzt hat er de zwa klagt; aber soweit i de Sache übersiech, glaub i, dass de eahm falsch verstandn habn.“
Die beiden Herren („Wann aner bei der Tür schreit, dass er a Aussteiger is, muass ma eahm doch helfn, dass er aussteign kann, Herr Rat!“) wurden vom Vorwurf der Freiheitsbeschränkung freigesprochen.