„Heute beginnt ein neues Zeitalter“
„Wir sind da!“– die „Krone“mischte sich bei der Angelobung von US-Präsident Joe Biden unter das ausgesperrte Volk. Pandemie hin, Sicherheitsalarm her: Die Stimmung war gut.
Ich war bei der Angelobung von Barack Obama hier, und ich lasse mir das auch diesmal nicht nehmen. Auch wenn wir ausgesperrt werden. Ich wollte einfach dabei sein, wenn Joe Biden und die erste schwarze Vizepräsidentin angelobt werden“, brüllt Ella Smith aus Jackson, North Carolina, gegen den Lärm der gepanzerten Fahrzeuge an.
Tag der Emotionen mit Triumphen und Tränen
Der amerikanische Traum – für Kamala Harris, Tochter einer Einwanderer-Familie, ging er gestern mittags in Washington in Erfüllung.
Ella Smith schlägt sich mit 63 Jahren als Putzfrau durch. Aber ihre Augen funkeln vor Stolz und Freude, so als würde sie selbst gleich vereidigt werden.
Es war generell ein Tag der Emotionen, der schon am Vorabend seinen Lauf nehmen sollte. Auf dem Bahnhof seiner Heimatgemeinde Wilmington in Delaware brach Joe Biden in Tränen aus, als er an seinen an einem Hirntumor verstorbenen Sohn Beau erinnerte und sich dann mit der zukünftigen First Lady auf die Reise in die USHauptstadt begab. Dann ging es weiter zum Lincoln Memorial, wo das Ehepaar bei einer Zeremonie den 400.000 Corona-Toten in den Vereinigten Staaten gedachte. Die Gänsehautatmosphäre war perfekt, als sich die Sonne hinter dem Obelisken in einem feurigen Orange Richtung Horizont verabschiedete und ein zartes Abendrot zurückließ.
Auch am Mittwoch zeigte sich die Metropole wettertechnisch von ihrer guten Seite: Immer wieder kämpfte sich die Sonne durch die Wolkendecke, bevor die historischen Worte vor dem Kapitol gesprochen wurden.
Von den befürchteten Ausschreitungen war zumindest bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nichts zu bemerken.
Dafür ließen viele Menschen ihrer Freude freien Lauf. „Heute“, meint ein junger Besucher aus Maryland, „beginnt ein neues Zeitalter. Weitere vier Jahre mit Trump wären unser Untergang gewesen.“
25.000 Nationalgardisten sorgten, wie berichtet, für Sicherheit. Die Männer und Frauen in ihren Kampfanzügen ließen sich nicht aus der Reserve locken. Aber einigen war die Erleichterung am Nachmittag dann doch anzumerken. Darüber, dass der Einsatz bald vorüber sein würde – und damit auch vier Jahre mit dem Oberbefehlshaber Donald Trump.
Als Ex-Wahlkampfhelfer von Hillary Clinton habe ich die Angelobung von Biden mit Freude live im TV verfolgt. Er ist der richtige Mann – auch für die transatlantischen Beziehungen.
Dr. Josef Mantl aus Graz ist US-Politikexperte und Kommunikationsberater in Wien.
Morgen lesen Sie: Lokalaugenschein in Bidens Heimatort Wilmington