„Die Partie gewinnen wir sicher“
Die psychosozialen Folgen der Krise werden zeitversetzt bemerkbar. Deshalb setzt man auf Prävention – und einen neuen Beraterstab.
Entscheidungstage, etwa zu Lockerungen oder eben nicht, gab es in diesem Pandemie-Jahr viele. „Das sind nicht nur Entscheidungen über Sieben-Tages-Inzidenzen“, sagt Gesundheitsminister Rudolf Anschober im „Krone“-Gespräch, „es muss auch anderes mitbedacht werden.“Etwa, dass es hier um Menschen geht. Immerhin war die Pandemie „eine völlige Veränderung für jeden“.
Menschen litten nicht nur an der Angst vor der Ansteckung: „Jede der Maßnahmen hat auch Nebenwirkungen“, sagt Psychiater Michael Musalek, „die Krise betrifft uns alle. Wir tun bei psychischen Problemen ja immer so, als wäre nur der andere betroffen.“
Und nein, ein Gewöhnungseffekt, der uns allen zu ausgeglichenen Eremiten werden lässt, tritt nicht ein: „Im Gegenteil“, erläutert Musalek, „wir halten Akutbelastungen sehr gut aus. Aber je länger die Belastung dauert, desto verletzlicher, dünnhäutiger werden wir.“– „Ich hör so oft die Frage, hat denn das kein Ende“, bemerkt der Minister. Und der Psychiater: „Ja, Zielsetzungen sind wesentlich. Ich komme aus dem Mannschaftssport,
es wird aber oft der Marathon zum Vergleichen hergenommen. Doch die Pandemie werden wir nicht allein, sondern nur gemeinsam lösen.“
„Zweite Halbzeit, zehn Minuten nach Beginn“
Wo stehen wir eigentlich gerade? „Wenn ich ein Handballspiel hernehme, dann sind wir in der zweiten Halbzeit, zehn Minuten nach Wiederbeginn“, sagt Musalek, „und das ist die schwierigste Zeit.“Denn genau da „ist man schon müd, man hat das Ziel zwar vor Augen, aber es ist noch so weit weg. Und genau da gewinnt man die Partie oder verliert. Da sind wir jetzt.“
Drohen Depressionen, Vereinsamung, sogar Suizid? Zu Letzterem „gibt es keine Hinweise auf eine Zunahme. Damit das so bleibt“, erklärt Anschober, „muss man vorsorgen, begleiten, abfangen, was geht.“
Hier kommt eben der neue Beraterstab zum Einsatz, den Musalek leitet. Die psychosozialen Folgen zeigen sich zeitversetzt, etwa in einem Jahr: „Am Anfang hat man ja noch das Gefühl, ich schaff es. Und dann geht ihm die Luft aus.“
Kinder und Jugend als Schwerpunkt
Die sieben Experten sollen Strategien erarbeiten zu Problemfeldern wie einsame ältere Menschen, das einsame Sterben in CoronaZeiten,
Gewalt, Beziehung oder auch Homeoffice und Co.
Derzeit vorrangig widmen werden sich die Berater den Kindern und Jugendlichen. Diese befinden sich ja entwicklungsmäßig in einer ganz besonderen Zeit, sprachliche, soziale Kompetenz ebenso wie Feinmotorik werden in jungen Jahren erlernt. Nicht zuletzt deswegen berät die Runde, wie etwa Vereinssport unter welchen kontrollierten Bedingungen wieder möglich sein kann.
Blick auf das Schöne
Musalek propagiert die Wende im Denken hin zum Positiven: „Wenn wir uns immer nur mit dem Scheußlichen befassen, bleiben wir im Scheußlichen. Aber so ist ja die Welt nicht.“Man solle sich Kraftquellen im Schönen suchen – egal, ob es dabei um das Schöne der Natur, einer Beziehung, von Musik und Co. geht.
Der Psychiater ist sich sicher: „Die Partie, die gewinnen wir bestimmt.“Die Frage ist, „ob wir ein Nachspiel brauchen“. „Kommt drauf an, was der Gegner noch für uns parat hat“, sagt Anschober.
Wenn es mit den Mutationen hart auf hart kommt, werden es der Nachspiele vielleicht auch zwei .