„Mir hat bisher das Kribbeln gefehlt!“
Österreichs Springer haben sich mit drei Stockerlplätzen im WM-Vorfeld nicht mit Ruhm bekleckert. Auf der Normalschanze in Oberstdorf soll es heute mit einer Medaille klappen.
Was ich mir in der vorigen Woche im Training erarbeitet habe, konnte ich gut umsetzen. Wichtig ist, dass man den Tisch trifft. Die Ziele gesteckt, ich will vorne mitspringen.
Philipp Aschenwald
Ich bin mit dem Training hier sehr zufrieden. Seit Langem war es wieder ein besseres Springen. Ich hoffe auf einen ähnlichen Effekt wie bei der Skiflug-WM.
Da wurde ich Vierter.
Michael Hayböck
Granerud kämpft gegen WM-Fluch
Praktisch aus dem Nichts eroberte der Norweger Halvor Egner Granerud in diesem Winter die SkisprungWelt. Der 24-Jährige aus Oslo
gewann am 29. November sein erstes Weltcupspringen. Knapp drei Monate später ist der Schützling des Tiroler Trainers Alexander Stöckl mit nunmehr elf Saisonsiegen auf dem Konto bei der nordischen Ski-WM in Oberstdorf der große TopFavorit. „Wir hatten noch nie einen größeren Favoriten im Team“, sagt der 47-Jährige.
Im Training konnte Granderud diese Bürde nicht bremsen. Er gewann am Donnerstag alle drei Trainingsdurchgänge auf der Normalschanze. Für den Wikinger beginnen die Titelkämpfe im Allgäu ohnehin bei null: „Alles, was bisher war, ist jetzt unbedeutend.“
Vielleicht hat nämlich auch Granerud schon vom gelben WM-Fluch gehört. Seit der WM 1985 haben erst drei Weltcup-Spitzenreiter beim Saisonhöhepunkt zugeschlagen. Der Pole Adam
Malysz (Lahti 2001), der
Finne Janne Ahonen (Oberstdorf 2005) und der Thomas Morgenstern (Oslo 2011). „Mir hat das tolle Selbstvertrauen geholfen“, erinnert sich der Kärntner. Der WM-Fluch hat übrigens auch schon viele Adler aus Österreich getroffen. Ernst Vettori (Seefeld 1985), Andreas Felder (Val di Fiemme 1991), Werner Rathmayr (Falun 1993) und
Andreas Goldberger (Thunder Bay 1995) verpassten als Gelb-Träger den WM-Titel.
Gregor Schlierenzauer ereilte dieses Schicksal sogar zweimal. Der Rekordadler konnte sich in Liberec 2009 und in Val die Fiemme 2013 immerhin mit Silber auf der Normalschanze trösten.
Vielleicht schiebt Granerud auch aus eigener Erfahrung die Favoritenrolle weg. Zuerst musste er sich bei der Skiflug-WM in Planica um 0,5 Punkte dem Deutschen
Karl Geiger geschlagen geben, dann landete er bei der Tournee nur auf Platz vier.
Als Daumendrücker stand Stefan Kraft gestern an der Normalschanze und fieberte bis zur letzten Sekunde mit den österreichischen Damen. Es zahlte sich aus, denn das rot-weiß-rote Quartett eroberte in einem dramatischen Bewerb Gold!
Der Überflieger hofft heute im Herren-Einzel eine ähnliche Art von Aufregung zu spüren. „Mir hat bisher das Kribbeln gefehlt. 30.000 Fans hätten hier für einen Hexenkessel gesorgt“, vermisst der Publikumsliebling in Corona-Zeiten die Stimmung von vollen Stadien.
Der WM-Faktor könnte den 27-Jährigen in der Geisterkulisse
beflügeln: „Es tut mir sehr gut, wenn ich oben sitze und weiß, es muss jetzt sein. Ich freue mich, wenn es wieder richtig kribbelt.“
In der gestrigen Quali flog er hinter dem Norweger Halvor Egner Granerud und dem Slowenen Anze Lanisek schon mal auf Platz drei.
Eine coole Truppe
Neben Kraft nominierte Cheftrainer Andreas Widhölzl noch Michael Hayböck, Daniel Huber und
Philipp Aschenwald für das heutige Einzel auf der Normalschanze. Doppel-Weltmeister Kraft traut seinen Kollegen viel zu: „Wenn jeder gut springt, sind wir eine richtig coole Truppe.“
Huber hat zum Beispiel im Weltcup schon zwei Stockerlplätze erkämpft. „Im Training war es noch mehr ein Kampf als ein Miteinander“, hofft der WettkampfTyp im ersten WM-Bewerb den Code der Schanze zu knacken.