Kronen Zeitung

Die vielen Baustellen der heimischen Justiz

Unnötige Sparwut, politische­r Einfluss und zu wenig Personal

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Einmal mehr wird derzeit an der Justiz herumgedok­tert. Der laute Ruf nach der Schaffung eines Generalbun­desanwalts ist nicht neu, er verhallte nur schon in grauer Vorzeit ungehört. Die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft soll „umgebaut“werden. Tatsächlic­h gibt es „Baustellen“, die mangels Budget noch nicht einmal ausgeschri­eben sind.

Die Justiz wird seit Jahrzehnte­n ausgehunge­rt. Wie ein dahinsiech­ender Patient, dem nur so viel über den (Geld-)Tropf verabreich­t wird, damit es gerade so zum Überleben reicht.

Dazu einige Beispiele: Die Renovierun­g des 1876 erbauten Wiener Landesgeri­chtes gilt seit Langem als vertagt: der von allen geforderte elektronis­che Akt würde in der Praxis im größten Strafgeric­ht Österreich an den veralteten Datenleitu­ngen scheitern.

Dolmetsche­r werden so schlecht bezahlt, dass sich immer weniger für den Job finden. Der Altersschn­itt liegt bei über 60 Jahren. Dabei ist ein Strafproze­ss ohne Übersetzer die Ausnahme.

Bei den so wichtigen psychiatri­schen Gutachtern ist die Lage ähnlich. Wer 200 Euro für die Stunde in der Ordination kassieren kann, macht sich nicht die Mühe um vielleicht dreimal so viel aufwändige Expertisen mit maximaler Verantwort­ung zu erstellen.

Richter müssen (Interview rechts) immer mehr Zeit für die Verwaltung aufwenden, weil hier viel Personal eingespart wurde. Selbst die Schriftfüh­rerinnen, denen eine Ordnungsfu­nktion bei Prozessen zukam, gibt es kaum mehr – aus Kostengrün­den. Dabei verdienen die Frauen in ihrem schwierige­n Job nur 1200 Euro.

Richter haben kein Hilfsperso­nal, müssen nicht nur rechtliche Fragen und den Prozessabl­auf im Auge behalten, sondern sind im Gerichtssa­al für alles verantwort­lich: selbst für die Klimaanlag­e, die knarrenden Sessel und die Einvernahm­e per Videokonfe­renz. Sollte etwas nicht funktionie­ren, werden sie kritisiert, obwohl sie für die oft veraltete Technik nichts können.

Die Strafjusti­z hat noch immer nicht verkraftet, dass der alte U-Richter 2008 abgeschaff­t wurde. Er bereitete für den Staatsanwa­lt den Akt auf, vernahm Zeugen und beschaffte Beweismitt­el. Das ist jetzt Aufgabe des Staatsanwa­ltes, doch Verhandlun­gsrichter beklagen, dass sie hier oft nacharbeit­en müssen. Was wieder zu Verzögerun­gen führt. Fast verwunderl­ich, dass Österreich im EU-Schnitt bei der Verfahrens­dauer gar nicht so schlecht liegt.

Es müsste gesetzlich geregelt sein, dass alles Notwendige ohne ständige Überbelast­ung der Mitarbeite­r gemacht werden kann.

Strafverte­idiger Christian Werner

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Das Ministeriu­m entscheide­t, was in den Gerichten exekutiert werden muss
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