Kronen Zeitung

Was ist da los, Herr Brandstett­er?

-

Krimi um Ex-Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er: Dienstag erfuhr der Höchstrich­ter von einer Journalist­in, dass er als Beschuldig­ter in der Causa Heumarkt geführt wird, Donnerstag bekam er Besuch von der Staatsanwa­ltschaft Wien, Freitag sprach er mit der „Krone“

Ein modernes Büro in der Wiener Innenstadt. Hier hat Wolfgang Brandstett­er am Freitagnac­hmittag einen privaten Termin. Aus Zeitgründe­n findet das „Krone“Interview dort, gleich im Anschluss daran um 16.30 Uhr, statt. Mitten in unser Gespräch platzt die Nachricht des VfGH, dass Brandstett­er trotz der Vorwürfe gegen ihn Richter bleiben wird.

Gerade meldet die APA, dass kein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Sie eingeleite­t wird. Sind Sie froh?

Ja, aber rechtlich geht das ja auch gar nicht anders. Man hätte mich bitten können, dass ich mich beurlauben lasse. Aber seiner Funktion entheben könnte man einen Höchstrich­ter nur unter ganz bestimmten Voraussetz­ungen, die liegen nicht vor.

Sie könnten sich auch freiwillig zurückzieh­en, bis die Verdachtsl­age geklärt ist. Haben Sie daran gedacht?

Wenn es dazu käme, dass so ein Verfahren so belastend wäre, dass ich meine Verpflicht­ungen am Gerichtsho­f nicht mehr erfüllen könnte, dann würde ich nicht zögern, von mir aus die Konsequenz­en zu ziehen. So ist es aber nicht.

Schaden Sie nicht der Institutio­n des VfGH, wenn Sie sich nicht beurlauben lassen?

Das Interesse des Gerichtsho­fes steht vor meinem individuel­len Interesse. Derzeit ist es so, dass ich die restlichen Tage der Session ganz normal weiterarbe­iten werde, und offensicht­lich ist das auch im Sinne des Gerichtsho­fs. Außerdem könnte ein freiwillig­er Rückzug auch als Schuldeing­eständnis missversta­nden werden. Es ist meines Erachtens auch die Pflicht eines Höchstrich­ters, nicht so einfach zu weichen, ohne dass die strengen gesetzlich­en Voraussetz­ungen dafür vorliegen, sonst könnte man von außen ja sehr leicht in die Zusammense­tzung des Gerichtsho­fs eingreifen, und das darf nicht sein.

Am Donnerstag ist etwas Ungewöhnli­ches geschehen, da haben Sie an Ihrem Arbeitspla­tz, dem VfGH, Besuch der Staatsanwa­ltschaft Wien bekommen. Was ist da durch Ihren Kopf gegangen?

Wir waren ja mitten in den Beratungen, da kam die Nachricht, dass mich jemand von der Staatsanwa­ltschaft sprechen will. Das hat mich deshalb sehr verwundert, das muss ich schon sagen, weil das völlig unnötig war, den Verfassung­sgerichtsh­of hier hineinzuzi­ehen. Durch diese Vorgangswe­ise wurde die Sache medial – ich möchte fast sagen – „aufgeblase­n“. Und das Merkwürdig­e war: Kaum war die Staatsanwa­ltschaft da, gab es schon in Medien die Meldung: „Razzia“und „Hausdurchs­uchung“. Beides ist falsch.

Wussten Sie, dass Sie als Beschuldig­ter geführt werden?

Ich habe von einer Journalist­in des „Trends“am Dienstag davon erfahren, dass es gegen mich offenbar Ermittlung­en gibt, und unmittelba­r danach eine EMail an die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft geschickt mit der Bitte, mir das zu bestätigen und mir die Möglichkei­t zu geben, raschestmö­glichst Kontakt aufzunehme­n. Ich habe keine Rückmeldun­g bekommen. Die Konsequenz war der Besuch zwei Tage später, und das war nun wirklich nicht notwendig. Der normale Weg wäre gewesen, dass man mich anruft oder mir eine Ladung schickt. Aber vergessen wir das.

Sie sind sehr nachsichti­g . . .

Das ist mein Naturell. – Lacht.

Was ist mit der Justiz los, dass Sie nicht informiert werden, keine Antwort bekommen und dann im Höchstgeri­cht aufgesucht werden?

Es ist die Pflicht eines Höchstrich­ters, nicht so einfach zu weichen, ohne dass die gesetzlich­en Voraussetz­ungen dafür vorliegen.

Das Merkwürdig­e war: Kaum war die Staatsanwa­ltschaft da, gab es schon in Medien die Meldung: „Razzia“und „Hausdurchs­uchung“.

Ich werde jetzt sicher nicht die Staatsanwa­ltschaft kritisiere­n, die gegen mich ermittelt. Aber wir haben in Österreich, das habe ich auch immer wieder kritisiers­t, ein rechtsstaa­tliches Defizit beim Grundrecht­sschutz, das auch vom Ausland kritisiert wird. Das beginnt damit, dass immer wieder das Amtsgeheim­nis verletzt wird. Wenn man nicht darauf vertrauen kann, dass eine Behörde entspreche­nd dem Gesetz Informatio­nen vertraulic­h behan

delt, bevor ein Verfahren öffentlich ist, dann untergräbt das das Vertrauen in die Justiz.

Fühlen Sie sich in Ihren Grundrecht­en verletzt?

Als Betroffene­r kann ich jetzt deutlicher darüber reden. Etwa, was das für meine Familie bedeutet. Eines meiner Enkelkinde­r lebt in Wien, und plötzlich ist das im Kindergart­en Thema. So führen diese Grundrecht­sverletzun­gen während des nicht öffentlich­en strafrecht­lichen Vorverfahr­ens auch zu einer massiven Beeinträch­tigung der Persönlich­keitsrecht­e von Menschen, die gar nichts dafür können. Und ich muss ganz offen sagen, das ist eine schmerzvol­le Erfahrung, die ich früher, als Strafverte­idiger, oft bei meinen Mandanten erlebt habe. Es jetzt am eigenen Leib zu spüren ist aber durchaus auch eine wertvolle Erfahrung. Der Vorteil ist: Man erkennt, welche wahren Freunde man wirklich hat.

Der Vorwurf lautet, Sie hätten Ihrem Bekannten Michael Tojner, den Sie auch strafrecht­lich vertreten haben, Interna über das Bauprojekt am Wiener Heumarkt sowie eine Hausdurchs­uchung verraten, stimmt das?

Ich verstehe die Verdachtsl­age, bin aber überzeugt, dass ich die Staatsanwa­ltschaft davon überzeugen kann, dass es nicht so ist, wie das jetzt vermutet wird. Ich werde das aufklären können. Das Schöne am Rechtsstaa­t, dem ich mich als Vollblutju­rist zeit meines Lebens verpflicht­et gefühlt habe, ist ja, dass niemand über dem

Gesetz steht. Niemand. Kein Richter, kein Staatsanwa­lt. Und so gesehen gehe ich mit offenem Visier in dieses Verfahren und hoffe, dass es nicht allzu lange dauern wird. An mir soll es nicht scheitern.

Die ÖVP hat die Justiz und im Besonderen die WKStA sehr scharf angegriffe­n – zu Recht?

Ich bin kein Politiker mehr und will mich politisch nicht äußern. Als Jurist kann ich nur sagen, dass es für das Vertrauen in die Justiz wichtig wäre, das es möglichst keine parteipoli­tischen Konflikte um die Justiz gibt.

Sie waren vier Jahre Justizmini­ster und im letzten Jahr sieben Monate auch Vizekanzle­r. Sehnen Sie sich noch manchmal in die Politik zurück?

Nein. Ich habe diese Funktion unter den damaligen Voraussetz­ungen, in der damaligen Konstellat­ion gerne ausgeübt. Aber in den letzten Jahren beobachte ich eine Entwicklun­g, die mir gar nicht gefällt. Eine starke parteipoli­tische Polarisier­ung, gepaart mit hoher Aggressivi­tät, eine Atmosphäre, in der man mit dem Wunsch nach Konsens nur noch schwer durchkommt.

Niemand steht über dem Gesetz. Kein Richter und kein Staatsanwa­lt. Ich gehe mit offenem Visier in dieses Verfahren und hoffe, es dauert nicht zu lange.

In letzter Zeit hatte ich mit Sebastian Kurz kaum noch Kontakt. Er ist Kanzler und hat alle Hände voll zu tun, und ich halte mich als Richter von der Politik fern.

Die Lieder von Udo Jürgens höre ich gern. „Immer wieder geht die Sonne auf“ist auch ein schönes Motto in diesen Tagen.

Ich habe für mich immer das Credo gehabt, dass Konsens ein Wert an sich ist. Daran glaube ich immer noch. Beim derzeitige­n politische­n Klima ist Konsens schwer möglich, da hätte ich überhaupt kein Verlangen, mich wieder politisch zu betätigen.

Sie sind ein väterliche­r Freund von Sebastian Kurz. Haben Sie sich in letzter Zeit Sorgen um ihn gemacht?

In der letzten Zeit hatten wir kaum noch Kontakte. Er ist Bundeskanz­ler und hat alle Hände voll zu tun. Und ich halte mich als Verfassung­srichter von Parteipoli­tik fern. Aber ich habe Respekt vor dem, was er geleistet hat und immer noch leistet. Was nicht heißt, dass man immer derselben Meinung sein muss.

Das Vertrauen in die Regierung ist deutlich gesunken, die Wirtschaft liegt nach Corona am Boden, die Causa Blümel schadet der ÖVP. Macht Ihnen das keine Sorgen?

Ich verfolge die Umfragen nicht. Ich muss aber ganz ehrlich sagen, mir tun einzelne Regierungs­mitglieder oft leid, weil das für alle, die Verantwort­ung tragen, gerade jetzt eine sehr schwierige Aufgabe ist, die sie hier zu bewältigen haben.

Wie sehen Sie die Causa Blümel?

Ich kann es nicht beurteilen. Aber die Tatsache, dass auch er angeblich aus den Medien erfahren hat, dass er Beschuldig­ter ist, spricht

Bände und beweist ja, dass meine Kritik berechtigt ist.

Könnte es mit den Angriffen der ÖVP auf die Justiz zusammenhä­ngen, dass jetzt so eifrig ermittelt wird?

Ich weiß es nicht. Aber natürlich nehme ich wahr, dass es da Spekulatio­nen gibt. Ermittlung­en sind okay, aber bitte immer unter Wahrung der Grundrecht­e. Ich kann mich wehren, ich bin in einer besseren Position. Aber das kann jeden betreffen.

Haben Sie als ehemaliger Strafverte­idiger eigentlich daran gedacht, sich selbst zu verteidige­n?

Es gibt einen alten Juristengr­undsatz: „In eigener Sache verteidige dich nie selbst.“Das kann nur schiefgehe­n.

Und dann haben Sie Rechtsanwa­lt Georg Krakow angerufen, der im Bawag-Prozess, bei dem Sie Privatbete­iligtenver­treter waren, als Staatsanwa­lt fungiert hat.

Das ist richtig. Wir haben uns damals kennengele­rnt und sind durchaus befreundet. Bisher habe ich ja noch nie eine Verteidigu­ng gebraucht. Aber am Dienstag war ich sehr froh, dass er das macht und mir so den Kopf freihält.

Wann rechnen Sie mit Ihrer Einvernahm­e?

Wenn ich Glück habe, vielleicht schon nächste Woche. Aber das liegt nicht bei mir.

Herr Brandstett­er, Sie haben jetzt alles in sehr freundlich­em Ton und leiser Stimme dargestell­t. Werden Sie nie laut?

Nächste Frage, bitte! –

Lacht. – Da muss ich jetzt nachdenken. Es gibt ein altes Sprichwort, das lautet: Was du sagst, sagst du so laut, dass ich gar nicht verstehe, was du sagen willst.“Und das hat was für sich. Kommunikat­ion beruht doch darauf, dass man auf den Gesprächsp­artner eingeht. Wer nur poltert, dem fehlt das, was die „68er“immer den herrschaft­sfreien Dialog genannt haben.

Ihre private Leidenscha­ft gilt Oldtimern. Was fasziniert Sie an denen eigentlich so?

Ich gebe es ja zu. Ich fahre gerne mit den Traumautos meiner Jugend, weil da Erinnerung­en wach werden, und das ist ein sehr schönes Gefühl. Damals waren sie unerschwin­glich, unerreichb­ar. Jetzt kann ich sie mir leisten. VW K 70, Puch 500: Das sind für mich Zeitkapsel­n.

Wie meine Musicbox, die mir im Ministeriu­m gute Dienste geleistet hat. Ich habe damals Gäste immer mit der richtigen Musik empfangen und so die Stimmung aufgelocke­rt.

Mit welcher Nummer lockern Sie die momentane Stimmung auf?

Momentan reicht ein Musikstück nicht aus, um mich wirklich aufzuheite­rn. Das ist schon ein Keulenschl­ag, den ich erst einmal verdauen muss. Aber grundsätzl­ich Udo Jürgens und „Immer wieder geht die Sonne auf“. Das Lied habe ich auch bei meiner Antrittspr­essekonfer­enz als interimist­ischer Vizekanzle­r gespielt. Ich hatte damals eine Karte für eines seiner Konzerte, und dann ist Udo Jürgens gestorben. Ich höre das Lied noch immer gerne. „Immer wieder geht die Sonne auf“ist auch ein schönes Motto in diesen Tagen.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? „Ich muss offen sagen, das ist eine schmerzvol­le Erfahrung“, sagt der frühere Strafverte­idiger
„Ich muss offen sagen, das ist eine schmerzvol­le Erfahrung“, sagt der frühere Strafverte­idiger
 ??  ?? Wolfgang Brandstett­er (63) beim Treffen mit „Krone“-Journalist­in Conny Bischofber­ger
Wolfgang Brandstett­er (63) beim Treffen mit „Krone“-Journalist­in Conny Bischofber­ger

Newspapers in German

Newspapers from Austria