Es war eine wunderbare Freundschaft
„Wir sind Zwillinge“, beendete Reichsgründer Abdulaziz Ibn Saud das siebenstündige Treffen mit USPräsident Franklin D. Roosevelt am 14. Februar 1945 (es war noch Krieg) an Bord des US-Kreuzers „Quincy“im Suezkanal.
Es war der Beginn einer beispiellosen strategischen Allianz (damals gegen British Petrol), ja einer wunderbaren Freundschaft über Generationen hinweg: Waffen gegen Öl und amerikanischer Schutzschirm – egal, was in Saudi-Arabien alles geschieht.
Das Königreich diente als Sprungbrett des US-Militärs im Mittleren Osten, finanzierte mit den Ölmilliarden die Verbreitung des islamischen Fundamentalismus seiner Wahhabi-Sekte in aller Welt oder verübte systematisch Menschenrechtsverletzungen.
Die wunderbare Freundschaft endet jetzt abrupt mit einem Faustschlag in die Magengrube: US-Präsident Joe Biden veröffentlicht den Geheimbericht über die Verantwortung des Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS) für die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi, den Trump unter Verschluss gehalten hatte. Der Regimegegner war von den Schergen des MbS in das (vom türkischen Geheimdienst verwanzte) saudische Konsulat in Istanbul gelockt, mit einer Knochensäge zerlegt, in Säure aufgelöst und im Klo hinuntergespült worden.
Biden und sein Außenminister Blinken handeln nach der Devise des tschechischen Bürgerrechtlers und Präsidenten Václav Havel, wonach eine Demokratie „in Wahrheit leben“muss. Dieser Schritt kann allerdings das Machtgefüge im Nahen und Mittleren Osten empfindlich verändern.
Der Kronprinz-Regent und künftige König MbS ist schwer kompromittiert. Er müsste eigentlich von dem greisen König Salman ersetzt werden.
Das könnte aber das „Gleichgewicht des Schreckens“in dem Saudi-Königshaus aus dem Lot bringen und das ganze Königreich erschüttern. Die Verwandtschaftsverhältnisse in der Dynastie sind eng mit Empfindlichkeiten von Stammesinteressen verflochten. Es gibt Brüder und Stiefbrüder verschiedener Mütter, Stammesprinzessinnen. Kronprinz-Regent MbS war von seinem Vater in die Thronfolge eingesetzt worden, nachdem Innenminister Mohammed bin Naif diesen Platz räumen musste und sogar wegen Verrat und Vorbereitung eines Putsches gegen König Salman von MbS verhaftet worden war.
US-Präsident Biden hat Saudi-Arabien ebenso den Waffennachschub für den Krieg im Jemen entzogen. Das Königreich ist (war) der größte Waffeneinkäufer in den USA und damit Arbeitgeber für Zehntausende Jobs in der Rüstungsindustrie.
Der Kursschwenk der USRegierung spiegelt die sinkende Bedeutung des Erdöls wider. Aus Sorge um die sichere Erdölversorgung waren US-Regierungen über Jahrzehnte mit dem erzreaktionären Königshaus durch dick und dünn gegangen, hatten zu Schandtaten der mittelalterlichen Klerikaldiktatur alle nur erdenklichen Augen zugedrückt.
Apropos Steinzeit-Islam: Das andere klerikalreaktionäre Regime auf der anderen Seite des Persisch-Arabischen Golfs, jenes in Teheran, wird den amerikanischen Kursschwenk zu Irans Erzfeind Saudi-Arabien ebenso wenig honorieren, wie es nicht honoriert hatte, dass die USA dem Iran im IrakKrieg Saddam Hussein vom Hals schafften.
Eine nachhaltige Stabilität unter den Herrschaftseliten aller Staaten dieses Raums wird durch den Umstand beeinträchtigt, dass die USA so gut wie alle vier bis acht Jahre ihre Politik umstürzen. Die Verlässlichkeit ist in Frage gestellt. Kronprinz-Regent MbS dürfte sich fragen, warum unter Biden falsch ist, was unter Trump richtig war. Und in Teheran dürfte man sich fragen, warum man zum Atomdeal zurückkehren soll, wenn vielleicht der nächste US-Präsident wieder austritt.