Halbzeit bei Klimagipfel: Öko-Hoffnung lebt
Enttäuscht und zornig protestierten 100.000 Menschen gegen die spärlichen Erfolge beim UNO-Gipfel. Denn zur „halftime“gab es bisher nur wenige Fortschritte. Ein Scheitern rückt näher.
eradezu verzweifelt appellierte G Briten-Premier Boris Johnson am Sonntag von London aus an den Tross der Zehntausenden Delegierten im Norden der Insel, dort, wo um das Weltklima gefeilscht wird, als ginge es nicht ums Überleben der Menschheit, sondern um diplomatische Floskeln. „Wir haben nur noch eine Woche Zeit“, lässt der Gipfelgastgeber von Westminster aus wissen. Er erwartet harte Verhandlungen und spornt in der kommenden „45-Minuten-Halbzeit“jetzt zu einem Sturmlauf an, um den Sieg über die Linie zu bringen.
Auf dem Papier sind die Voraussetzungen für das Erreichen des ehrgeizigen Zieles, die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten, nicht einmal so schlecht.
Denn würden alle Länder die bisher getätigten Versprechungen (Zusage zur Reduzierung von Kohlenstoffund Methanemissionen, Stopp der Entwaldung, Ausstieg aus der Kohle und Bereitstellung von mehr Finanzmitteln für die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder) einhalten, dann wären wir bei 1,8 Grad Celsius.
Doch ob das tatsächlich so passiert, ist mehr als fraglich. Denn gerade die größten Klimasünder der Welt scheren aus wirtschaftlichen Gründen immer mehr aus. So ziert sich Indonesien, jene skrupellose Brandrodung der letzten Regenwälder zu stoppen, die den qualvollen Tod Hunderter sensibler OrangUtans zur Folge hat. In Russland wird von Kreml-nahen Kreisen die provokante Fra
ge gestellt, ob man sich denn wirklich vor der Erderwärmung fürchten müsse. Aber immerhin verspricht das Zar-Putin-Reich, bis 2060 klimaneutral zu werden. Indien rückt diesen Emissionsstatus 0 in noch weitere Ferne – er soll erst bis 2070 stattfinden.
Auch aus China kommen nach wie vor keine wirklich positiven Signale. Jene Aktivisten, die teils skurril verkleidet und mit viel Aktionismus durch Glasgow und andere Städte zogen, nahmen aber lieber ganz allgemein die Reichen dieser
Welt aufs Korn. Greenpeace-Aktivistin Jasmin Duregger kritisiert den ambitionslosen Auftritt von Österreichs Regierungsspitze und spornt Umweltministerin Gewessler zu klaren Ansagen an. Dennoch ist vor allem den rotweiß-roten Verhandlern im Scottish Exhibition and Conference Centre ein gewisser Zug zum Tor nicht abzusprechen. Bis Freitag haben sie noch Zeit für den von Millionen Menschen in der ganzen Welt erhofften Durchbruch . . .
Wir haben uns in Glasgow der globalen Kampagne für Null-Emissionen in Städten und Regionen angeschlossen.
Wiens Stadtrat Jürgen Czernohorszky