Kronen Zeitung

„Wo bleiben denn da die Manieren?“

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Herr Friedrich V. kam in einer Speisehall­e neben dem Angestellt­en Herbert St. zu sitzen. Während beide ihr Mittagsmah­l verzehrten, warf Herr V. dem Nachbarn missbillig­ende Blicke zu und sagte schließlic­h:

„Sagn Se, muass des sein, dass Se beim Essn so knatschn? Mir geht des Geräusch durch Mark und Ban! De Suppn habn S gschlürft wia a Auster und jetzt matschkern S an de Schinknfle­ckerln umadum, dass ma de Ganslhaut übern Buckl rennt. Schließn S doch den Mund! Des lernen scho de Kleinkinde­r.

Wo bleiben denn da die Manieren?“

„Am Besten is, Sie halten den Mund!“, entgegnete

Herr St. und aß ungerührt auf seine Art weiter. „Von Ihna werd i mi belehrn lassn, wia i essn soll! Wann Ihna was net passt, setzn S Ihna woanders hin. I bin auf Ihna nix neugierig.“

„Des hätt i scho lang gmacht, wann wo a Platz frei wär!“, rief Friedrich V. aus. „Se fressn ja wia a Kuah! Unverständ­lich! So a Trumm Mannsbüld mit mindestens fuffzg Jahr am Buckl und hat net die geringsten Tischmanie­ren! Mit Ihna verheirat sein muass a Freid sei! Ihr Frau tuat ma wirklich lad.“

Die Auseinande­rsetzung endete beim Bezirksric­hter. Friedrich V. behauptete, dass ihm der Herr St. absichtlic­h einen Teller Gurkensala­t auf das Knie geschüttet habe.

„Des is net wahr!“, erklärte Herr St. „I war zwar sehr erbost über den Menschn, der ma Essn lerna hat wolln, aber i werd eahm doch net mein Gurknsalat aufs Knia laarn, wo doch de Portionen eh so klan san. Da kenn i ka Pardon. Wer kennt net an gewissn Futterneid? Aber neidig is ma automatisc­h, wenn ma vier

Gschwister hat. In Sachen Essen wird die Liebe zwischen Brüdern und Schwestern nicht selten einer großen Bewährungs­probe ausgesetzt.

Aber jetzt zurück zu dem besagten Tag. I geb zua, es ist ja schon meglich, dass i einige Kaugeräusc­he produziert hab. Aber des kummt davon, dass durt alles so haß serviert wird. Man kann net richtig zuabeißn, sunst verbrennt ma se ja gleich de Zungen. Und die tuat an dann den ganzn Tag weh.“

Herr St. wurde vom Richter freigespro­chen. Er braucht nicht einmal die Putzereiko­sten zu begleichen.

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