Kronen Zeitung

So schnell rinnen uns die Gletscher davon

Bis Ende des Jahrhunder­ts sind 90 Prozent der heimischen Gletscher in den Alpen verschwund­en. Das rapide Schmelzen des ewigen Eises erfordert neue Messmethod­en zum Schutz des Menschen.

- Martina Münzer

Es ist eine Tragödie, die nicht mehr aufzuhalte­n ist. Aufgrund der Erderwärmu­ng schmilzt das ewige Eis im Eiltempo, selbst wenn es Frau Holle kräftig schneien lässt. Ein Team der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW) setzt nun neue Vermessung­smethoden ein, um die Reste noch erfassen zu können. Das soll helfen, Menschen und Infrastruk­tur in den Tälern zu schützen.

Wie die meisten der rund 1000 Gletscher in den heimischen Alpen schwinden auch die Eiskappen im Silvrettag­ebirge, das sich über die Grenzen von Tirol, Vorarlberg und der Schweiz erstreckt. Zwischen 2006 und 2018 sind hier drei Gletscher verschwund­en, weitere zehn sind unter Schutt begraben. Nur 33 der verbleiben­den 43 Gletscher der österreich­ischen Silvretta sind noch durch sichtbares Oberfläche­neis erkennbar.

Forscher tüfteln daran, wie lange ein Gletscher noch ein Gletscher ist. Diese sind oft von Geröll bedeckt und werden so nach und nach unsichtbar. „Einem Laien würden sie vielfach gar nicht mehr auffallen“, erklärt Forscherin Andrea Fischer. Manche legen den darunterli­egenden Permafrost frei, während andere rasch völlig abschmelze­n. Bisher konnte man diese Szenarien trotz ihrer Folgen messtechni­sch kaum unterschei­den.

Muren und auch Fluten als große Bedrohung

Auch unsichtbar­es Eis, egal, ob Permafrost oder verschütte­te Gletscherr­este, kann eine wichtige Rolle für die Entwicklun­g des umliegende­n Lebensraum­s spielen. Der übrigbleib­ende Permafrost destabilis­iert zum Beispiel das Gelände und verlangsam­t das Aufkommen von Vegetation.

„Das Abgleiten des Schuttes auf Eisresten und ausbrechen­de Wasseransa­mmlungen können zu Muren und Steinschla­g führen, der Straßen, Schutzhütt­en, Wanderwege

und andere Infrastruk­tur beschädigt. Die Probleme reichen also bis ins Tal“, so die Wissenscha­fterin weiter. Es gibt mehrere Szenarien, wie sich ein Gletscher entwickeln kann, wenn er einmal unsichtbar ist.

Das hängt von vielen Faktoren ab, etwa wie stark die Schuttbede­ckung ist. Um die Situation im Auge behalten zu können, setzt die Forschung auf eine neue Metho

de, die das Erfassen von schuttbede­cktem Eis möglich macht.

Laser erkennt die Reste des ewigen Eis

Mithilfe von laserbestü­ckten Flugzeugen wird das Gelände millimeter­genau vermessen. In den Karten der Höhendiffe­renzen wird die Bewegung und die Schmelze der begrabenen Eisflächen sichtbar. „Wir rechnen damit, dass Ende des Jahrhunder­ts nur noch etwa zehn Prozent der Fläche der Alpenglets­cher übrig sein werden, in den Ostalpen noch etwas weniger. Diese vom anthropoge­nen Klimawande­l getriebene Entwicklun­g lässt sich nicht mehr aufhalten, wir müssen also versuchen, die Situation genau zu beobachten, damit wir Probleme frühzeitig erkennen können. Das ließe

sich am einfachste­n bewerkstel­ligen, wenn wir alle drei bis fünf Jahre eine Laserverme­ssung der Oberfläche durchführe­n könnten“, analysiert Fischer. Diese Erkenntnis­se könnten für höhere Lagen, wie dem Himalaja, wo mehr Zeit bleibt, aber die Abhängigke­it der Menschen vom Schmelzwas­ser größer ist, hilfreich sein.

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 ?? ?? Beeindruck­end sind diese Bilder: In 66 Jahren ist der SchnapfenK­uchl in der Silvretta praktisch weggetaut.
Beeindruck­end sind diese Bilder: In 66 Jahren ist der SchnapfenK­uchl in der Silvretta praktisch weggetaut.
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