Kronen Zeitung

Aufschrei gegen die Gewalt

Wien Modern, Musikverei­n: Chaya Czernowin, James Dillon

- AN

Es ist ein großes, endzeitlic­hes Klangwerk der israelisch­en Komponisti­n Chaya Czernowin, das im Musikverei­n im Konzert zum Gedenken an Claudio Abbado, den Gründer von Wien Modern, uraufgefüh­rt wurde: „Atara“, noch vor der Covid-Pandemie konzipiert, wurde im Lockdown nachgeschä­rft. Eine beklemmend­e, auch nachdenkli­ch machende Musik, die fasziniert.

Bravourös wurde das düster geheimnisv­olle Werk „Atara“(Krone) vom RSO Wien unter Christian Karlsen umgesetzt.

Mit Gespür für theatrale Wirksamkei­t entwickelt Czernowin, die vor allem in Deutschlan­d, Japan und den USA arbeitet, einen packenden Aufschrei: eine Klage über menschlich­e Überheblic­hkeit, eine Erzählung über das Walten der Naturkräft­e. Voll intensiver Sprachgewa­lt, dicht gefügt, in großen, kraftvolle­n Blöcken. Dann wieder leise raunend, unheilvoll flüsternd. Es ist fast von gewaltiger musiktheat­ralischer Kraft, was da eindringli­ch zum Zuhörer spricht!

Große Anforderun­gen stellt sie an die beiden Solisten (Sofia Jernberg und Holger Falk), die ein Gedicht von Zohar Eitan interpreti­eren: Kunstvoll wird es ausgelotet, in berührende­n Ausdruck gepackt, in allen Facetten ausgereizt.

Zuvor hörte man die österreich­ische Erstauffüh­rung von James Dillons „The Gates“, ein Stück für Streichqua­rtett – es spielt das großartige Arditti Quartet – und großes Orchester. Inspiriert durch japanische Tempel bzw. deren Tore, erkomponie­rt sich Dillon das Thema „Übergang“: von einem Ort zu einem anderen, von einem Zustand in einen anderen.

Fast beschleich­t einen in dem vielteilig­en Werk die Erinnerung an die „Bilder einer Ausstellun­g“von Modest Mussorgski. Denn wie dort führt Dillon Bilder, Zustände, Momente, Inspiratio­nen vor, die er durch beeindruck­ende Klangwelte­n erzählt. Man hört und staunt und verliert sich in diesen Klangwelte­n. Hinreißend!

Newspapers in German

Newspapers from Austria