Kronen Zeitung

Reise in den Vorhof von Afghanista­n

⧁ Außenminis­ter Linhart auf Tour durch die islamisch geprägten Staaten in Zentralasi­en ⧁ Die Regierunge­n dort machen klar, dass sie nicht bereit sind, Flüchtling­e aufzunehme­n

- EIN LOKALAUGEN­S CHEIN VON CHRISTIAN HAUENSTEIN

Wir nehmen keine Flüchtling­e aus Afghanista­n auf. Keinen einzigen Flüchtling!“

Die Botschaft für Österreich­s neuen Außenminis­ter Michael Linhart bei dessen Reise durch vier Republiken in Zentralasi­en könnte eindeutige­r nicht sein. Die Staaten, die eine teilweise mehr als 1000 Kilometer lange Grenze mit dem Land am Hindukusch haben, sind nicht einmal bereit, Menschen aus Afghanista­n aufzunehme­n, die ihrer eigenen Volksgrupp­e angehören. So sagt der turkmenisc­he Herrscher Gurbanguly Berdimuham­edow ganz klar: „Auch Afghanen, die der turkmenisc­hen Minderheit angehören, schicken wir zurück.“Turkmenist­an leiste humanitäre Hilfe in Afghanista­n, baue etwa Gesundheit­szentren oder auch einen Supermarkt. Man sei auch in Gesprächen mit den Taliban, aber nun brauche es vor allem eines, so Berdimuham­edow – viel Geduld.

Die usbekische Regierung ist ebenfalls nicht bereit, etwaige Flüchtling­e aus dem Land der Taliban aufzunehme­n, auch keine Usbeken. Hintergrun­d sind schlechte Erfahrunge­n mit der organisier­ten Kriminalit­ät. Denn Mitte der 90er-Jahre organisier­te der usbekischs­tämmige afghanisch­e Warlord „General“Dostum über Usbekistan den Drogenhand­el in Richtung Europa. Und auch die Verantwort­lichen in Tadschikis­tan erklären, dass die Grenze zu Afghanista­n „dicht“sei. Das ist zwar aufgrund des teils extrem schwierige­n Geländes, durch das die Grenze verläuft, gar nicht möglich, zeigt aber dennoch die Absicht der Regierung.

Überlegung­en in Europa, speziell auch bei der österreich­ischen Regierung, die Nachbarlän­der Afghanista­ns sollten sich bei einer etwaigen Massenfluc­ht aus Afghanista­n der Menschen annehmen, sind damit Makulatur. Die Staaten zeigen einfach keinerlei Bereitscha­ft dazu.

Auch nicht gegen entspreche­nde finanziell­e Unterstütz­ung. Einen Deal wie etwa mit der Türkei, die von der EU für die Aufnahme von rund 3,5 Millionen Flüchtling­en aus Syrien mit Milliarden unterstütz­t wird, wird es mit den zentralasi­atischen Staaten nicht geben.

Das hat vor allem zwei Gründe: erstens die wirtschaft­lich und sozial ohnehin höchst angespannt­e Situation in der Region. Zweitens – und wohl noch viel entscheide­nder – die Angst vor einem Überschwap­pen des radikalen Islam.

Denn die früheren Sowjetrepu­bliken sind moslemisch geprägt, wobei die Regierunge­n Wert legen auf einen liberalen Islam und eine strikte Trennung zwischen Religion und Politik. Wodka ist zumindest in den großen Städten allgegenwä­rtig, dennoch gibt es Strömungen der stärkeren Islamisier­ung.

Vor allem bei jungen Männern. Usbekistan

etwa versucht, dem mit einem Islaminsti­tut entgegenzu­wirken, in dem alle Imame ausgebilde­t werden. Dieses Institut, das nach seinem baldigen Umzug in einen gerade im Bau befindlich­en gigantisch­en Komplex in Taschkent das größte derartige Institut weltweit sein wird, nimmt für sich in Anspruch, den „wahren Islam“zu lehren – eine tolerante Religion, in der Christen und Juden gleicherma­ßen geschätzt werden.

Der Islam, betont einer der Verantwort­lichen, sei eine Religion des Friedens und habe nichts mit Terrorismu­s zu tun: „Junge Leute, die zu Terroriste­n werden, missverste­hen den Islam.“

Außenminis­ter Michael Linhart bezeichnet die Länder Zentralasi­ens als „Schutzschi­ld“rund um das „schwarze Loch“Afghanista­n. Was die etwaige Aufnahme von Flüchtling­en angeht, trifft das sicher nicht zu. In Bezug auf den Umgang der Länder mit dem radikalen Islam aber sehr wohl.

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