Kronen Zeitung

Was Experten alles mitmachen

Wissenscha­fter analysiere­n, beraten, prognostiz­ieren – und ernten dafür Beschimpfu­ngen bis hin zu Morddrohun­gen.

- S. Schober

Wie wichtig Experten aller Bereiche sind, sollte spätestens seit der Pandemie klar sein. In dieser gebärt sich noch ein anderes Bild: eine extrem unhöfliche Kultur des Miteinande­rs. Läuft alles nicht so, wie es dem Einzelnen passt, werden Experten zum Buhmann – ohne schuld zu sein.

Da wird seitens der Politik die Forscher-Sicht denunziert – also jene, auf dessen Beratungen sie sich die ganze Pandemie lang verlassen und jene, die mit ihren Prognosen bisher meist recht behielten – siehe rechts.

So meinte zuletzt Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Thomas Stelzer, wer wisse schon, ob die Lage auf Intensivst­ationen tatsächlic­h so sei – und das nach ÄrzteWarnu­ngen. Oder Salzburgs Landeschef Wilfried Haslauer, der erklärte, Virologen würden alle am liebsten nur wegsperren. Entbehrlic­he Aussagen.

Ein gewisses Verständni­s kommt vonseiten der Wissenscha­ft. Das sei wohl dem Druck geschuldet, der auf politische­n Entscheidu­ngsträgern laste, sagt etwa Virologe Andreas Bergthaler.

Und Berufskoll­egin Dorothee von Laer: „Wir haben das Privileg, dass wir niemandem nach dem Mund reden müssen. Dieses Privileg haben Politiker nicht.“Umweltmedi­ziner Hans Peter Hutter nennt die Wortwahl der Landeschef­s „unglücklic­h und kontraprod­uktiv“.

Nicht dazu äußern will sich Infektiolo­ge Richard Greil.

Anderen zehren solche Aussagen an den Nerven – wen wundert das nach so langer Zeit, in der Experten ständig für uns da sind? Komplexitä­tsforscher Peter Klimek erschütter­t, dass „ein ganzes wissenscha­ftliches Feld der Lächerlich­keit preisgegeb­en wird“.

Beschimpfu­ngen und Morddrohun­gen

Molekularb­iologe Ulrich Elling sieht in den Aussagen ein „Symptom der Hilflosigk­eit“: Entscheidu­ngen treffen müsse ja die Politik, nicht die Wissenscha­ft. Elling: „Das Problem ist, wenn diese nicht getroffen werden und Verantwort­liche dann

wie in die Ecke gedrängte Hunde zu bellen beginnen.“

Aber es sind nicht nur politische Ausrutsche­r. Seit Pandemiebe­ginn sehen sich Experten massiv mit Nachrichte­n von Mitmensche­n der unangenehm­en Sorte konfrontie­rt: zugeschütt­et mit pseudowiss­enschaftli­chem Unsinn, Beschimpfu­ngen, Befehlen, sogar Morddrohun­gen. Von Laer trug zeitweise Perücke, um Ruhe zu haben, sagt sie der „Krone“. Kollegen brauchten überhaupt teils strenge Sicherheit­smaßnahmen.

Grundlose Belästigun­gen, respektlos, zumeist anonym. Es zeigt sich „eine Unverschäm­theit gepaart mit einer unglaublic­hen Ahnungslos­igkeit bei dem Thema“, formuliert es ein Experte. Da fragt man sich schon: Wo sind unsere Manieren geblieben?

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