Neuer Spitzenwert, aberaltes Datenchaos
Fast 48.000 neue Fälle wurden gestern gemeldet – absoluter Rekord bisher. Zugleich sinkt die Testbereitschaft, das Impf-Interesse ist am Boden. Kaum etwas verbessert hat sich nach zwei Jahren beim leidigen Thema Zahlen.
Leider kein dummer Witz: Just an dem Tag, an dem die Regierung die Impfpflicht aussetzt (siehe Seiten 12/13), haben wir mit 47.795 Neuinfektionen den Spitzenwert überhaupt. Es ist auch der Tag, an dem die Expertenkommission zur Impfpflicht „sehr wahrscheinlich“vor einer neuen, möglicherweise sehr massiven Welle im Herbst warnt. Und: Nur vier Tage nachdem fast alle Maßnahmen worden sind sowie die Nachtgastronomie wieder aufgesperrt hat. Überraschend kommt das nicht: Die politische Entscheidung für die Öffnungen passierte, als die Fallzahlen auf hohem Niveau und der Höhepunkt der Welle noch nicht vorbei war: „Durch die Öffnung erreicht das Virus natürlich mehr Menschen“, so Simulationsforscher Niki Popper. Den Höhepunkt haben wir laut Popper auch jetzt noch nicht erreicht. Derzeit rechnen die Experten aber nicht damit, dass die Spitäler an ihre Kapazitätsgrenzen kommen.
Deutlich sind auch die Todeszahlen: 42 Fälle gestern. Durchschnittlich sterben täglich mehr als 32 Erkrankte; gesamt bisher 15.113.
Rückläufig sind die Tests: Gestern wurden in 24 Stunden 615.761 PCR- und Antigen-Schnelltests eingemeldet, 470.350 davon waaufgehoben ren aussagekräftige PCRTests – und hier wiederum 10,2 Prozent positiv.
Anteil der Immunität durch eine Infektion wächst
Mau sieht es bei den Impfungen aus: Zuletzt wurden durchschnittlich 4557 täglich durchgeführt. In der Vorwoche waren es 31.900 – weniger als die täglichen Neuinfektionen.
Dafür tragen die Fallzahlen zur Immunisierung gegen Omikron bei: 77 Prozent der Bevölkerung waren laut Modellrechnung des TU-Wien-Ablegers dwh rund um Popper gegen die Omikron-BA.1-Variante
immun. 20 Prozent hatten den Schutz durch Infektion; 45 Prozent durch Impfung und Infektion, der Rest nur durch Impfung. Das reicht aber noch nicht, damit die aktuelle Welle schon bricht. Popper: „Aber gegen schwere Verläufe sind wir mit der Impfung immer besser geschützt.“
Noch immer Probleme bei den Datenmeldungen
Was sich nach mehr als zwei Jahren Pandemie nur mäßig gebessert hat: das Chaos mit den Daten.
Noch immer fehlt es an Vernetzung, noch immer gibt es unterschiedliche Einmeldesysteme. „Was sich noch nicht durchgesprochen haben dürfte: Dass gute Daten und damit gute Analysen bessere politische Entscheidungen ermöglichen – und deren Kommunikation“, so Mathematiker Erich Neuwirth.
Vor allem bei den Bundesländermeldungen kommt es zu Problemen: „Hier gibt es noch keine klaren Richtlinien, wie die Bundesländer ihre Zahlen einmelden.“
Auch passierten immer noch „Anfängerfehler“: Summen, die sich ausgehen sollten, gingen sich nicht aus – hier würde schon die Nutzung eines einfachen Kalkulationsprogramms Abhilfe schaffen . . .
Nicht nur bei Kommunikation und Datenorganisation beweist die Regierung kein gutes Händchen, sondern auch bei der Wahl ihrer Verkündungsmomente: Schon an jenen Tagen, an denen die große Öffnung – mit Bauchweh von Experten – ausgerufen wurde, stiegen die Fallzahlen sprunghaft an.