Putin ein Tyrann wurde
„Silowiki“-Prätorianer huldigen großrussisch-konservativen Ansichten und der slawophilen Tradition, gepaart mit großrussischem Nationalismus.
Putin hatte dieses System des „starken Staates“, der „Ideologie der russischen Zivilisation, der russischen Welt“und des Blut-undBoden-Pathos bald verinnerlicht – den „Putinismus“. Laut dem Russlandkenner Simon Sebag Montefiore ist der reaktionäre Zar Alexander III. Putins Lieblingszar. Von dem ist der Satz überliefert: „Ich brauche bloß zwei Verbündete: Armee und Marine.“
Wichtig für jedes autokratische System ist, Opposition in der Öffentlichkeit, das heißt: in den Medien, mundtot zu machen. Das Putin-System setzt keine Zensurkommissare in den Redaktionen ein wie die alte Sowjetunion. Es lässt die Eigentumsverhältnisse wirken, und die sind überwiegend gebündelt in der Firma „Gazprom-Media“mit einem Direkt-Zugriff aus dem Kreml.
Das Staatsfernsehen als das wichtigste Informationsinstrument entfaltete einen Personenkult sondergleichen. Putin erscheint als allwissender Führer, der beschämte Verantwortungsträger vor laufender Kamera in ihrer Arbeit belehrt oder abkanzelt.
Zu Putins 60. Geburtstag 2012 analysierte „Focus“: „Je länger er das Riesenreich mit Gewalt zusammenhält und auf Unterdrückung setzt, umso größer wird die Gefahr des Auseinanderbrechens.“Putin trat die Vorwärtsstrategie an und zog alle Macht in seiner Person zusammen.
Alle Sicherungen durchgeknallt
Im Laufe der Zeit waren die Prätorianer um den Kremlchef so weit ausgefiltert, dass nur noch Ja-Sager übrig blieben. Angela Merkel sagte es als Erste: „Er lebt in einer anderen Welt.“Und Finnlands Präsident Sauli Niinistö, der Putin kennt wie kaum ein anderer Staatschef, sagte kürzlich im „Spiegel“-Gespräch: „Er hat sich (gegenüber früher) verändert. Er war viel entschlossener. Ich glaube, er sah eine Gelegenheit und wollte sie ergreifen, um das zu tun, was er schon länger im Kopf mit sich herumtrug . . . Zuerst dachte ich, dass die Ukraine nur der Köder ist und die Forderungen gegenüber den USA und der NATO sind die eigentliche Beute. Aber vielleicht will Russland schließlich auch den Köder essen.“
Schwarzenberg: „Mit dem Essen kommt der Appetit“
Wer ein so feines politisches Sensorium hat wie Karel Schwarzenberg, war schon 2014 gewarnt. Der vormalige tschechische Außenminister prophezeite 2014 nach der Annexion der Krim: „Ich kann Ihnen garantieren, dass einem Rechtsbruch der nächste auf dem Fuße folgt. Wir beobachten soeben, wie die Krim als Vorspeise eingenommen wird. Ich fürchte, wir werden noch eine georgische Suppe und vielleicht eine ukrainische Hauptspeise beobachten. Mit dem Essen kommt der Appetit.“