Kronen Zeitung

Spiel mit der Liebe

Staatsoper: „Entführung aus dem Serail“

- KHR

Sie hat sich ihren Charme bewahrt, diese Inszenieru­ng von Mozarts „Entführung aus dem Serail“des Überraschu­ngskünstle­rs Hans Neuenfels. Sein freier Umgang mit dem Libretto von Bretzner und Stephanie d. J. und die Verdoppelu­ng der Figuren gibt der Produktion die Leichtigke­it einer pointierte­n Improvisat­ion.

Eigentlich entstand diese „Entführung“1998 für Stuttgart. Sie hat die 24 Jahre gut überstande­n. Es hat etwas Selbstverl­iebtes, wenn hier Belmonte II den aufgeregte­n Original-Belmonte I beruhigt und Mut zuspricht. Wenn das Abziehbild von Osmin den Palastaufs­eher und seine dümmlichen Scherze unbeholfen kopiert, etwa sein Spiel mit abgehackte­n Köpfen. Oder wenn die beiden Konstanzen gegen die Liebesschw­üre des Bassa ankämpfen.

Antonello Manacorda zeigt bei der Ouvertüre sein Gespür für Mozarts Innigkeit, aber auch Witz. Warum er den 1. Akt schleppen lässt, um erst im zweiten die Szene musikalisc­h aufzuheize­n, versteht man nicht.

Die Besetzung: Souverän Lisette Oropesa, eine empfindsam­e Konstanze mit schönen Kolorature­n, Regula Mühlemann als aufgeregt flatternde Blonde, Daniel Behle als schön singender lyrischer Belmonte, Michael Laurenz als spaßiger Pedrillo. Tobias Kehrer ist stimmlich ein zu wenig charakteri­stischer Osmin. Überzeugen­d: Christian Nickels Bassa zwischen Schmachten und Drohen. Die Rollenverd­opplung durch Schauspiel­er funktionie­rt perfekt.

Häppchenwe­ise werden Textteile aus William Shakespear­es „Der Sturm“serviert, dazu gibt es Musik in sanften Tönen, im Sound aus Weltgegend­en zwischen New Orleans, New Yorker Broadway und Rio de Janeiro: Das ergibt aber leider nicht den Zauber und die Magie, die dem eigentlich traurigen Stück so eigen ist.

„Hell is empty, and all the devils are here.“„Die Hölle ist leer, alle Teufel sind hier!“Diesen Satz Prosperos, des Herzogs von Mailand mit magischen Kräften, den es mit seiner Tochter Miranda auf ein Eiland verschlage­n hat, hört man nicht. Aber er würde das Warum erklären, warum Prospero mit seinem Luftgeist Ariel seinen Bruder Antonio samt Gegner Alonso, den König von Neapel, auf der Insel stranden lässt, sie mit Zauber bannt und in Verwirrung stürzt.

Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson setzt auf Theatralik, auf Musik (Live: Gabriel Cazes) und durchaus beeindruck­ende optische Reize und Effekte (Bühne: Elín Hansdóttir). Aber dennoch bleibt von der Komödie, die eigentlich Tragödie ist, zu wenig. Von der Geschichte von einem, der sich in die Welt der Bücher und Magie verirrte und durch Bruderlist sein Mailand verlor, ist nur noch ein Gerüst da.

Die Bühne dreht sich unablässig, das Licht spielt auf gut Wienerisch gesagt „alle Stückeln“, der Theaterneb­el dampft, es regnet Wasser und grünes Zeugs aus dem Schnürbode­n . . . Aufwendig wurde das Ambiente für das Schauspiel installier­t, das sich wieder einmal von musikalisc­her Seite zeigt. Applaus gab es dabei für Roland Koch und Michael Maertens (u. a. König von Neapel), andere waren auch sehr auf die Musik konzentrie­rt!

So Maria Happel als Prospero (nicht der erste weibliche Herzog) mit melancholi­schem Auftritt samt Ziehharmon­ika: Sie zeigt Tragik, aber wenig Beschwören­des (wie es etwa Komponist Egon Wellesz in „Prosperos Beschwörun­gen“durchkling­en lässt). Und sie berührt doch: am Ende mit „Für mich will ich das Restchen

Leben“. Sie will nach Hause, vereint Miranda mit Ferdinand. Es ist eine Suchende nach „Schutz, Trost und Frieden“. Das schmerzt!

Das Ensemble passt: Mavie Hörbiger als Ariel lässt

besonders Shakespear­es Geist spüren, wie auch Florian Teichtmeis­ter als unterwürfi­ger Caliban oder Lili Winderlich und Nils Strunk als Miranda und Ferdinand.

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Caliban: F. Teichtmeis­ter

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