Kronen Zeitung

Ist die Welt Ihr Zuhause, Herr Seinitz?

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Nicht zu handeln schützt nicht vor bösen Überraschu­ngen. Das sieht man jetzt beim Verhältnis von Wladimir Putin zur Ukraine. Hätte man das voraussehe­n können? Ja. Man muss sich nur die russische Geschichte anschauen. Ohne mich jetzt rühmen zu wollen, ich war niemals ein PutinVerst­eher. Ich habe immer gewusst: Er will so sein wie die Zaren. Er hat die nötige Brutalität dazu, und er ist nicht sehr intelligen­t. Er bringt also alles mit, was ein Machthaber braucht.

Vom Dalai Lama bis zum libyschen Revolution­sführer Gadafi hast du alle Mächtigen dieser Welt getroffen. Wer hat dich am meisten beeindruck­t?

Beeindruck­en kann mich in der Politik wenig. Vielleicht Jelzin, das war wirklich ein Mensch. Während Gorbatscho­w eine Funktionär­smaschine war und Putin ein brutaler Machthaber.

Wie viele amerikanis­che Präsidente­n hast du getroffen?

Seit Ronald Reagan jeden.

Aber nur ein Interviewp­artner hat einen Kuss bekommen, richtig?

Nur der Dalai-Lama. Als wir uns verabschie­det haben, merkte ich, dass ich ihn beeindruck­t haben musste. Er nahm mich an seine Brust und flüsterte: „We need friends like you.“Ich konnte von oben seine Glatze sehen und habe ihm aus Verlegenhe­it einen Schmatzer auf den Kopf gedrückt.

Haben die sozialen Medien den Journalism­us einfacher gemacht?

Man kann sich jetzt auf YouTube anschauen, was in Peking oder Washington gerade läuft. Aber man muss hinfahren, um es zu riechen. Durch die sozialen Medien kann jeder praktisch alles erleben. Aber das Problem ist der Tunnelblic­k. Die Kamera zeigt dir nur einen ganz bestimmten Teil, sie schaut nicht nach rechts und nach links. Das kann man nur, wenn man selber dort ist.

Wann bist du das erste Mal mit der Weltpoliti­k in Berührung gekommen?

In der Schule hat mich eigentlich gar nichts interessie­rt, ich saß immer in der letzten Reihe und aß Wurstsemme­l oder Gabelbisse­n. Wirklich interessie­rt haben mich fremde Länder. Meine erste Erinnerung an Weltpoliti­k ist die Beschießun­g der Taiwan-Insel Quemoy durch die rotchinesi­schen Truppen. Ab 1958 war ich Dauergast im OP-Kino. Das „Ohne Pause“-Kino spielte von früh bis spät lauter Wochenscha­uen.

Wie viele Länder hast du insgesamt bereist?

Ich glaube, ich war in 110 von 194. Also es gibt noch sehr viele Inseln, die ich nicht kenne.

Wo willst du noch unbedingt hin?

Meine Traumdesti­nation ist das Weltall.

Warum das Weltall?

Warum steigen Menschen auf Berge? Ich möchte die Welt von oben sehen. Aber es kostet 2 Millionen Euro, und das kann ich mir nicht leisten.

Wann ist Schluss?

Mit dem Schreiben niemals. Mir macht es Spaß, meinen Senf dazuzugebe­n. Und ich freue mich, wenn mir Leute sagen, dass sie jetzt etwas verstanden haben, was sie sich vorher nicht erklären konnten. Alle Entwicklun­gen und Konflikte haben letztlich historisch­e Wurzeln. Wenn man sie erkennt, hilft es, festen Boden unter den Füßen zu gewinnen.

Meine Traumdesti­nation ist das Weltall. Ich möchte die Welt von oben sehen. Aber es kostet zwei Millionen Euro, das kann ich mir nicht leisten.

Hans Dichands Wunsch war es, am Schreibtis­ch zu sterben. Wie ist es bei dir?

Am liebsten würde ich überhaupt nicht sterben. Ich bin ein Anhänger des ewigen Lebens, vielleicht weil ich krankhaft neugierig bin.

Und wenn es doch sein muss?

Dann Patsch, weg! Ich bin 1975 in einem Flugzeug über Zypern gesessen. Als ich rausgescha­ut habe, sah ich das brennende Triebwerk und dachte: Na ja, das war’s also. Die Stewardess­en sind alle halb ohnmächtig geworden, für mich war es okay. So stelle ich mir das ungefähr vor.

Was möchtest du im nächsten Leben sein?

Als Kind wollte ich Düsenpilot werden. Später nur noch Journalist. Das möchte ich auch im nächsten Leben sein. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es ein solches gibt.

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