Die Grenzen der Worte
Ukraine-Krieg, Waffenlieferungen in Milliardenhöhe, Rufe nach Aufrüstung: Hat eine pazifistische Weltsicht endgültig ausgedient? Die „Krone“fragte bei Experten nach . . .
Zigtausende Tote, darunter Tausende Zivilisten, Hunderte Kinder – und das Gemetzel geht unaufhörlich weiter . . .
Die Ukrainer kämpfen heroisch, wehren seit 108 Tagen die einfallenden Russen ab. Unterstützt durch milliardenschwere Hilfen samt „schwerem Gerät“anderer Länder, in denen Rufe nach eigener Aufrüstung lauter werden. Es stellt sich die Frage, ob eine pazifistische Weltanschauung, die Krieg kategorisch ablehnt, den Verzicht auf Rüstung und militärische Ausbildung fordert, noch vertretbar ist?
Absoluter Pazifismus „veraltet, weltfremd“
„Im absoluten Sinn wohl nicht mehr, das gilt als veraltet, weltfremd“, meint etwa Ralph Janik, Universitätslektor mit Schwerpunkt Völkerrecht, Menschenrechte und Recht des Welthandels. „Beim sogenannten UNO-Pazifismus, nach dem Krieg prinzipiell schlecht ist, aber man sich vor einem Aggressor mit Streitkräften schützen darf, sieht die Sache aber anders aus.“Da greift das Recht auf Selbstverteidigung. Auch unter Mithilfe von Drittparteien? „Rechtlich eindeutig ja. Natürlich wird darüber debattiert, dass man etwa nicht wisse, was hinterher mit den Waffen passiert. Für Lieferungen spricht hier, dass sie an eine reguläre Armee, keine private Gruppe gehen.“
Österreich hat durch seine Neutralitätspolitik eine Sonderrolle, liefert Schutzausrüstung, Treibstoff, Gebrauchsgegenstände.
Aktiv gewaltfrei für nachhaltigen Frieden
„Zurücklehnen sei ohnehin keine Option“, sagt Thomas Roithner, Friedensforscher, Privatdozent für Politikwissenschaften an der Uni Wien und Mitarbeiter beim Internationalen Versöhnungsbund. Die Vereinigung arbeitet aktiv gewaltfrei an einem nachhaltigen Frieden. „Einem Ukrainer jetzt von einem hehren Wort Pazifismus zu erzählen, wäre aber zynisch. Doch Friedenspolitik beginnt schon vor dem ersten Schuss“, sagt Roithner, der dafür Staaten mit anderen sicherheitspolitischen Traditionen wie die USA am Zug sieht, langfristig dennoch statt eines „Abschreckungsfriedens“durch Rüstung lieber einen „kooperativen Frieden“fordert.
Helfen soll etwa die Einführung eines zivilen Friedensdienstes in Österreich. So einer besteht in Deutschland seit 1999, bis heute wurden 1700 Friedensfachkräfte in über 60 Länder entsandt, auch in die Ukraine. „Oft stehen Türen offen, die staatlichen Organisationen verschlossen sind.“Dann können Verhandlungen, Worte helfen. Sofern das Gegenüber mitspielt – woran Janik bei Russland zweifelt: „Ich sehe keinen ernsthaften Verhandlungswillen. Ein Waffenstillstand dient dort eher zum Nachladen.“