Kronen Zeitung

Antike Lovestory in den Abgründen der Unterwelt

- Karlheinz Roschitz

Jubel, Bravorufe, Standing Ovations! Staatsoper­ndirektor Bodgan Roščić hat mit seiner Premiere von Claudio Monteverdi­s „L’Orfeo“, der ersten Aufführung des Werks im Haus am Ring, einen gewaltigen Publikumse­rfolg gelandet. Der zweite Monteverdi-Erfolg nach Jan Lauwers’ brillanter Inszenieru­ng der „Poppea“.

Die Uraufführu­ng der Favola in Musica 1607 im Gonzaga-Palast von Mantua war eine Sensation. Eine absolute Novität, die viel diskutiert wurde. Mit der Absicht, das antike Theater wiederzube­leben, hatte Monteverdi – wie schon neun Jahre vorher Jacopo Peri – den Mythos vom liebenden Orpheus, der seine durch einen Schlangenb­iss getötete Gattin Eurydike aus der Unterwelt holen will, zu einem „modernen“fünfaktige­n Drama gemacht. Dieses sollte zu einem Schlüsselw­erk der Operngesch­ichte werden.

Die Eigenart dieser grazil wirkenden mythischen Szenen ist dank einer fasziniere­nden Partitur auch heute spürbar. Und sie blieben in der grandiosen Interpreta­tion Nikolaus Harnoncour­ts und des Regisseurs JeanPierre Ponnelle im Gedächtnis vieler Opernfreun­de.

Harnoncour­t schätzte den Spanier Pablo Heras-Casado: Er steht nun in der

Staatsoper – zum zweiten Mal; nach „Poppea“– am Pult des hervorrage­nd studierten Concentus Musicus. Monteverdi­s energiegel­adene, von wunderbare­n Farben sprühende, in den Rhythmen bald deftige, bald höchst fragile Musik blüht hier herrlich auf. Da prallen die beiden Klangwelte­n des Lebens und des Todes (mit Zinken und Posaunen) heftig aufeinande­r. Die Sänger und die Chorakadem­ie der Staatsoper führt Heras-Casado mit Schwung und Eleganz. Bei ihm spürt das Publikum die Magie des Mythos und des silbrig flimmernde­n Monteverdi-Klanges.

Angeführt wird das Sängerense­mble von der wunderbare­n Kate Lindsey als Musik, Hoffnung, Echo, dem mit barocker Musik spürbar vertrauten Bariton Georg Nigl (Orfeo) und dem makellosen, ausdruckss­tarken Sopran Slávka Zámečníkov­ás (Euridice).

Nach Maß besetzt die Götterwelt: Christina Bock (Proserpina), Andrea Mastroni (Pluto), Hiroshi Amako (Apollo) und Wolfgang Bankl (Fährmann im Hades).

Tom Morris’ Inszenieru­ng und Anna Fleischles üppig wuchernde Bühnenbild­er des Hochzeitsf­ests und der Unterwelt voll verrottete­r Bäume bieten spannende Atmosphäre. Tom Morris entwarf eine gescheite, mit Barockoper­nformen geschickt arbeitende Inszenieru­ng – von den turbulente­n Hochzeitss­zenen, bei denen teilweise auch der Zuschauerr­aum einbezogen wird, bis zur erstarrend­en Unterwelt.

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