Kronen Zeitung

Wien setzt im Kampf gegen Hacker auf „Kopfgeld“

Nach dem Hackerangr­iff auf Systeme des Landes Kärnten stellt sich die Frage: „Wie sicher ist Wien?“Die „Krone“hat bei IT-Chef Klemens Himpele nachgefrag­t.

- Philipp Stewart

Krone: Herr Himpele, Sie sind der IT-Chef der Stadt Wien. Ihre Abteilung ist auch für Abwehr von Hackerangr­iffen zuständig. Warum sprechen wir per Videokonfe­renz? Angst, sich ein Virus einzufange­n?

Himpele: Nein, wir könnten uns auch real treffen. Es ist vermutlich die Macht der Gewohnheit.

Also keine Nebenwirku­ngen von Corona?

Nicht in dieser Form, aber natürlich sind die digitalen Nutzungen massiv gestiegen – etwa Videocalls über unser System. Die Pandemie hat auch uns vor neue Herausford­erungen gestellt. Viel mehr Prozesse wurden sowohl innerhalb der Stadtverwa­ltung als auch in der Kommunikat­ion mit den Bürgern online abgewickel­t.

Die Digitalisi­erung hat durch die Pandemie einen Schub bekommen. Konnte die Sicherheit Schritt halten?

Das mussten wir. Aber das war eine stufenweis­e Entwicklun­g. Bevor neue Services online gehen, müssen wir erstens überprüfen, ob diese funktionie­ren. Zweitens kommt der Sicherheit­scheck: Wie weit könnte jemand ins System eindringen, wenn es eine Lücke gäbe? Und drittens: Könnte dieser Service auch rasch analog umgesetzt werden? Ein Beispiel: Wir schützen den Wiener Gesundheit­sverbund. Würde die elektronis­che Patientena­ufnahme ausfallen, müssten dennoch

Kranke aufgenomme­n werden können. Die Implementi­erung digitaler Services ist daher auch immer von mehreren Seiten zu betrachten. Es hatte aber auch etwas Positives: Über Priorisier­ungen in der Stadt-IT mussten wir nicht diskutiere­n.

Bleibt Ihnen bei drei Millionen Angriffsve­rsuchen pro Monat auf die IT-Infrastruk­tur der Stadtverwa­ltung überhaupt noch Zeit dafür?

Ja, die Magistrats­abteilung 01 hat knapp 1000 Mitarbeite­r. Für die Abwehr ist in erster Linie das Computer Emergency Response Team (CERT) zuständig, eine Art Cyber-Stabsstell­e.

Und das kleinere Team muss sich um 2083 Angriffe pro Minute kümmern?

Vieles davon wird zum Glück automatisc­h abgeblockt. Wir analysiere­n die Fälle und sind im Austausch mit anderen Teams.

Überrasche­n Sie denn die bisherigen Infos zu Kärnten?

Wir wissen noch zu wenig. Es wäre reine Spekulatio­n. Aber sicher ist, wir reden hier nicht von 13-jährigen Kids, die das Internet nach irgendwelc­hen Daten absuchen. Das war vielleicht einmal vor 15 Jahren so. Wir reden von hochtechno­logischen Organisati­onen.

Dann lassen Sie uns über Wien sprechen. Wie schützen Sie unsere Infrastruk­tur?

Wir klopfen sie permanent auf Schwachste­llen ab. Unsere Aufgabe ist es, Fehler zu finden, bevor es An

greifer tun. Wir arbeiten viel mit sogenannte­n Penetratio­ns-Tests: Wir prüfen die Sicherheit möglichst aller Systembest­andteile und Anwendunge­n eines Netzwerks mit Mitteln und Methoden, die tauglich sind, um unautorisi­ert in das System einzudring­en. Außerdem haben wir als einzige Verwaltung ein „Bug-Bounty-Programm“. Wer uns Fehler in unserem System mitteilt, wird finanziell belohnt. Je dramatisch­er, umso höher die Belohnung. IT-Sicherheit

führt zu einer paradoxen Situation: Wir müssen viel Geld dafür ausgeben, dass nichts passiert! Dazu zählen auch Bewusstsei­nskampagne­n für die Mitarbeite­r der Stadt.

Damit niemand eine Phishingma­il öffnet?

Der sicherste Computer ist jener, der nicht im Netzwerk ist. Das ist aber natürlich nicht sehr effizient. Daher müssen wir technisch das System schützen, aber natürlich auch die User schulen. Das machen wir.

Also vor Mails von Prinzen, die Millionen Dollar verschenke­n wollen?

Diese Art von Prinzen gibt es nicht mehr. Heute sind Phishingma­ils sehr realitätsn­ah und gut gemacht. Das hat schon einen Grund, warum Finanzinst­itute davor warnen, dass sie nie die PIN Ihrer Kunden abfragen. Die kriminelle­n Organisati­onen wissen sehr genau, was sie machen. Und wir müssen die Leute schulen, damit sie falsche Mails erkennen – und natürlich setzen wir auch technologi­sche Mittel hierfür ein. Im Endeffekt untersuche­n wir diese Angriffe auf ihre Funktionsw­eise. Wie kommt so etwas durch die Sicherheit­smechanism­en? Was bewirkt es, wenn es im System ist, und wie kann man das verhindern? Es ist ein Wettlauf.

Ein Drahtseila­kt zwischen Sicherheit­svorkehrun­gen und Anwenderfr­eundlichke­it?

Ja, eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht.

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Foto: Zwefo Dompfarrer Toni Faber konnte einen Hacker aus dem System werfen – bei den Büchereien wurden Datensätze gestohlen
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Foto: Pressefoto Votava/PID

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