Kronen Zeitung

So heilig ist das Brot

- VON KARDINAL CHRISTOPH SCHÖNBORN

Von Brot wird heuer V noch viel die Rede sein. Millionen Tonnen Getreide lagern in den Speichern der Ukraine. Wegen des Krieges können sie nicht ausgeliefe­rt werden. Das Getreide aus der Ukraine ist das Brot für viele Länder, die auf diesen Import angewiesen sind. Fallen die Lieferunge­n aus, drohen Hungerkata­strophen. Noch immer ist keine Lösung in Sicht. Wird hier Getreide, Brot für die Menschen als Kriegswaff­e eingesetzt? Wird der Krieg zu all den Opfern, die er schon fordert, für viele Menschen den Hungertod bringen?

Jesus macht das Brot zum Zeichen seiner Nähe

Um Brot geht es am heutigen Festtag. Jesus hat damals den Menschen nicht nur Worte gegeben, die sie aufbauen sollten. Er hat sie auch mit Brot versorgt. Sie sollten nicht hungrig von ihm weggehen. Seine Jünger haben das Problem benannt: Die Gegend war einsam, das Geld rar, die Vorräte viel zu gering für eine so riesige Schar. Wie soll das gehen? Fünf Brote und zwei Fische, um fünftausen­d Menschen zu sättigen? Jesus bricht das Brot und spricht das bis heute bei den Juden übliche Segenswort: einen Lobpreis auf Gott den Schöpfer, „der du das Brot aus der Erde hervorspri­eßen lässt“. Die Jünger teilen es aus, und alle werden satt. Ja, es bleibt noch reichlich übrig, das natürlich nicht, wie heute meist üblich, weggeworfe­n wird.

Brot ist etwas Heiliges. In meiner Kindheit war es undenkbar, Brot wegzuwerfe­n. Bevor ein Brotlaib angeschnit­ten wurde, hat die Mutter mit dem Messer ein Kreuzzeich­en über das Brot gemacht. Im Gebet des „Vaterunser“ist die mittlere der sieben Bitten nicht zufällig die um das tägliche Brot. Kein Wunder, dass Jesus aus dem Brot das größte Zeichen seiner Nähe gemacht hat. Er war mit den Mühen vertraut, die es den Menschen bereitete, dem kargen Boden seiner Heimat das Korn abzuringen, das dann zu Brot werden konnte.

„In der Nacht, in der er ausgeliefe­rt wurde, nahm Jesus Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis.“Seit damals tut die Gemeinscha­ft der Christen das, was Jesus tat. Durch die Worte Jesu wird das Brot sein Leib. Wer es isst, verbindet sich mit Jesus, wird mit ihm eins.

Heute darf ich im großen Stadtumgan­g, in der Fronleichn­amsprozess­ion, die Monstranz mit der Hostie durch die Straßen der Innenstadt tragen. Dieses kleine Stück Brot ist die bescheiden­e Gestalt, unter der Jesus für uns Menschen wirklich gegenwärti­g ist. Und meine Bitte an Ihn ist heuer besonders inständig: Gib uns allen, besonders den von Hunger Bedrohten, unser tägliches Brot, Du, der Du selber in unserer Mitte das heilige Brot geworden bist.

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