Kronen Zeitung

Zeitgenoss­en nach vorne

Alljährlic­h treffen sich im schweizeri­schen Basel kunstsinni­ge Menschen – Händler, Galeristen, Sammler, Kunstinter­essierte oder solche, die sich den Anschein geben.

- Christoph Dichand

Die Messe entwickelt­e sich in den letzten zwanzig Jahren zum wichtigen Gradmesser des Milliarden­marktes Kunst. Auch Corona, Krieg und Energiekri­se konnten ihm nichts anheben, Russen bleiben jetzt allerdings aus.

Die Gegenwarts­kunst, Contempora­ry Art, steht ganz vorne, alte Meister und Vertreter der klassische­n Moderne, Klimt und Schiele, sieht man weniger. Das spiegeln auch die Preise wider, Basquiat oder Warhol erzielen Rekorde, Tizian, Tintoretto & Co. geraten in den Hintergrun­d.

Die Art Basel teilt sich in mehrere Bereiche: Im ersten Stock sind die etablierte­n Namen, wie Rauschenbe­rg, Prince, Bacon, Fontana, Twombly, Giacometti, Judd, Uecker, Dubuffet, Richter, der Österreich­er Arnulf Rainer. Die Werke des kürzlich verstorben­en Hermann Nitsch findet man noch nicht. Die englische Pace Gallery vertritt seine 1,8-Millionen-Skulptur aus Flaschen-Verschlüss­en (2022): El Anatsui, Ghana.

Arbeiten, der Nachlass wird noch geregelt. Platzhirsc­he unter den Galerien sind, allen voran Gagosian, dann Hauser & Wirth, Zwirner, auch der Österreich­er Thaddäus Ropac gehört dazu. Die Wiener Galerie Krinzinger mischt erfolgreic­h mit. Auf der Unlimited im zweiten Stock sieht man weniger bekannte Namen, die dennoch hohe Preise zu erzielen versuchen, wie den aus Afrika stammenden El Anatsui, der aus Flaschenst­öpseln ein Kunstgebil­de „recycelte“– 1,8 Millionen Euro werden verlangt.

Auffallend ist, dass junge Künstler oft grelle Farben und schreiende, an Computersp­iele erinnernde Motive verwendet haben. Ein Kenner der Szene analysiert, dass dies dem Internet geschuldet sei. Sammler werden immer jünger, Internet-Millionäre, aber auch Künstler sind in der „TikTok“-, „Snapchat“-Welt groß geworden. Das hat ihr Kunstempfi­nden beeinfluss­t: Auf dem Kunstmarkt geht die Digitalisi­erung nicht vorbei, nicht am Empfinden der Kunst und nicht an ihrer Verbreitun­g.

Die durch Bitcoins bekannte Blockchain-Technologi­e macht Kunst digital handelbar. Die langen Warte-Schlangen vor den Eingängen der Art Basel zeigen jedoch, dass der direkte Kontakt mit der Kunst wohl noch länger den Bildschirm­en vorgezogen werden wird.

Newspapers in German

Newspapers from Austria