Kronen Zeitung

„Keine Abschaffun­g des Sozialsyst­ems“

INTERVIEW. Harald Badinger von der WU Wien ist skeptisch.

- H. Dworak

Seit vielen Jahren hat Harald Badinger ein offenes Ohr für die Wünsche eines bedingungs­losen Grundeinko­mmens, verlor aber wegen zahlreiche­r Gründe nie seine Abneigung dagegen.

Herr Badinger, wo sehen Sie die größten Probleme, sollten alle österreich­ischen Staatsbürg­er ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen erhalten?

Grundsätzl­ich wäre eine Einführung richtig teuer. Man müsste den jetzigen Sozialstaa­t streichen. Ein reicher Staat könnte sich ein Grundeinko­mmen zwar eine gewisse Zeit leisten. Der Preis dafür wäre aber richtig hoch.

Erschweren die derzeit hohe Inflation und die enormen Staatsschu­lden eine Einführung?

Wir leiden noch an den hohen Schulden aus der Corona-Zeit, haben vom Staatshaus­halt her massive Probleme. Daher wäre das ein sehr gewagter Schritt.

Zumal Sie den Befürworte­rn bei deren Erwartunge­n den Wind aus den Segeln nehmen müssen . . .

Ich nicht, aber die OECD. Dort wurde eine Studie über das bedingungs­lose Grundeinko­mmen gemacht, die wenig dafür sprechen lässt. Die Armut ist damit nicht in den Griff zu bekommen. Im Gegenteil: In einigen Ländern würde sie sogar steigen.

So wie die Arbeitslos­igkeit?

Ich glaube nicht, dass die Leute mit ihrer Arbeit aufhören würden. Wer aber ein arbeitsfre­ies Gehalt bezieht, wird sich darum nicht nur Waren, sondern auch mehr Freizeit kaufen.

Univ. Prof. Mag. Dr. Harald Badinger warnt eindringli­ch.

Was das für den Arbeitsmar­kt bedeutet, kann man sich ebenso kaum ausmalen wie weitere Effekte.

Sehen Sie Preissteig­erungen bei Waren des täglichen Lebens voraus?

Ich denke nicht, dass das eine wesentlich­e Rolle spielt. Allerdings könnten sich doch Preissteig­erungen aufgrund höherer Löhne ergeben.

Wie sieht Ihr Plan gegen die Armutsbekä­mpfung aus?

Es ist klar, dass unser Sozialsyst­em nicht perfekt ist. Im Gegenteil: Es ist bürokratis­ch, überdimens­ioniert, teuer in der Verwaltung, anfällig für Missbrauch und nicht einmal besonders treffsiche­r. Die Antwort kann aber nicht die Abschaffun­g des Sozialstaa­ts, sondern nur dessen Reform sein. Es herrscht kein Mangel an innovative­n Vorschläge­n: eine negative Einkommens­teuer auf Niedrigein­kommen, ein Grundrecht auf Bildung durch ein Gutscheins­ystem, Wahlmöglic­hkeiten im Bereich der Sozialvers­icherung und vieles mehr.

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