Kronen Zeitung

Zum Schämen

- Michael.chalupka@evang.at

Frauen aus Rumänien betreuen alte Menschen in Österreich. Sie tun das in deren Haushalten, 24 Stunden am Tag. Ihre Kinder müssen sie zu Hause lassen. Die werden vom Vater oder von der Oma betreut. Kinder wachsen ohne ihre Mütter auf. Diese Frauen arbeiten in Österreich und bezahlen hier ihre Steuern und Sozialabga­ben, wie alle anderen auch. Eine Bundesregi­erung unter Kanzler Kurz hat gemeint, ihnen die Kinderbeih­ilfe kürzen zu müssen.

Alle, die das beschlosse­n hatten, wussten, dass es rechtswidr­ig war, sie wussten aber auch, dass der Europäisch­e Gerichtsho­f nicht so schnell arbeitet. Nun, Jahre später, ist das Urteil da, und man weiß, was man immer wusste. Man hat ein rechtswidr­iges Gesetz beschlosse­n. In der Zwischenze­it mussten Kinder unter schlechter­en Bedingunge­n aufwachsen, als es europäisch­es Recht garantiert hätte. Jetzt muss Österreich mit erhebliche­m Aufwand die Gelder nachzahlen, die es den Müttern rechtswidr­ig vorenthalt­en hat. Dass es so enden würde, war von Anfang an klar. Aber man wollte ein Zeichen setzen, ein Zeichen auf dem Rücken von Frauen, die wir dringend brauchen, und ihren Kindern, die die Mütter vermissen.

Schämt sich denn niemand dafür? Im Buch Jesus Sirach heißt es: „Man schämt sich oft, wo man sich nicht schämen müsste, und billigt oft, was man nicht billigen sollte.“Wenn es offensicht­lich ist, dass man gebilligt hat, was nicht zu billigen ist, dann ist es Zeit, sich zu schämen.

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