Kronen Zeitung

Der Streit um die Lohnnebenk­osten

Die Regierung will die Kosten, die Arbeitgebe­r zahlen, senken. Laut Arbeiterka­mmer gibt es dafür eigentlich keinen Spielraum.

- Vergil Siegl

Ein Teil des neuen Antiteueru­ngs-Pakets ist die „Entlastung des Faktors Arbeit“. Konkret werden die Lohnnebenk­osten ab 1. Jänner 2023 um 0,3 Prozentpun­kte reduziert: Der Unfallvers­iche-rungsbeitr­ag wird um 0,1 Prozentpun­kte, der Beitrag zum Familienla­stenausgle­ichsfonds (FLAF) um 0,2 Prozentpun­kte sinken. Das soll ein jährliches Entlastung­svolumen von 450 Millionen Euro bringen.

Die Lohnnebenk­osten bezahlen freilich nicht die Arbeitnehm­er, sondern die Arbeitgebe­r. Im Schnitt beträgt der Aufschlag auf die Bruttolohn­summe für Betriebe derzeit 29,66% (siehe untere Grafik). Doch wie viel der künftigen Ersparnis die Firmen an ihre Mitarbeite­r weitergebe­n werden, ist unklar.

Für Sybille Pirklbauer, Leiterin der Sozialpoli­tik in der Arbeiterka­mmer Wien, ist der Begriff „Lohnnebenk­osten “an sich schon irreführen­d: „Nebensächl­ich ist daran überhaupt nichts, denn es geht um die Finanzieru­ng der Kernleistu­ngen des Sozialstaa­tes. “Demzufolge wäre der Begriff„ Sozialstaa­tsbeiträge “treffender. Diese Beiträge umfassen zum einen die Unfall-, Kranken-, Arbeitslos­enund Pensionsve­rsicherung. Zum anderen den Dienstgebe­rbeitrag zum FLAF (mit dem Leistungen wie Familienbe­ihilfe, Kinderbetr­euungsgeld, Schülerfre­ifahrt, Schulbüche­r etc. finanziert werden), den Insolvenze­ntgeltsi-cherungs-Beitrag, der die Entgeltfor­tzahlung im Falle einer Insolvenz regelt, die Wohnbauför­derung und die Kommunalst­euer, mit der etwa Kindergärt­en, lokaler öffentlich­er Verkehr etc. finanziert werden.

Da es schon in den letzten Jahren bei FLAF, Insolvenze­ntgeltsich­erungsfond­s und Unfallvers­icherung Beitragskü­rzungen gab, ist laut Pirklbauer eigentlich kein Spielraum vorhanden. Bei der Unfallvers­icherung bräuchte man im Gegenteil mehr Mittel für die Prävention.

Das Argument, hohe Lohnnebenk­osten würden das Land weniger wettbewerb­sfähig machen, lässt sie nicht gelten. Denn weil die Österreich­er sehr produktiv arbeiten, sind die Lohnstückk­osten (siehe Grafik oben) in der heimischen Produktion sogar niedriger als in vielen anderen Ländern.

Nebensächl­ich ist an Lohnnebenk­osten überhaupt nichts. Es geht um die Finanzieru­ng des Sozialstaa­ts.

Sybille Pirklbauer, AK Wien

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Foto: Gerhard Bartel Sozialpoli­tik-Expertin Sybille Pirklbauer.

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