Kronen Zeitung

Wahlkämpfe, Förderunge­n und Inserate

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Die Dinge im Titel haben eine Gemeinsamk­eit. Sie kosten viele Euro an Steuergeld. Doch über das eigene Geld sprechen Politiker und Parteien ungern. Das fällt nun der ÖVP auf den Kopf. Vielleicht auch anderen Parteien und aus politische­r Sicht nicht zu Unrecht.

Die Bundespart­ei der ÖVP ist Beschuldig­te in einem Korruption­sstrafverf­ahren. Zudem hat der Rechnungsh­of Zweifel an der Richtigkei­t des von der Partei arg verspätet vorgelegte­n Finanzberi­chts für das Wahljahr 2019. In beiden Fällen ist die saubere Trennung der rechtliche­n Prüfung von politische­n Bewertunge­n wichtig. Denn es gilt die Unschuldsv­ermutung. Diese steht als Verfassung­sbestimmun­g im sechsten Artikel der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion und in Artikel 48 der EU-Grundrecht­scharta. Punkt.

Eine Schuldverm­utung mit Gebrüll im Stil von „Hängt sie höher!“ist daher rechts- und demokratie­politisch ein Armutszeug­nis der lautesten Schreier. Politisch darf, soll und muss man freilich hinterfrag­en, warum es bestimmte – vielleicht gerade noch legale – Strukturen und Handlungsw­eisen der ÖVP sowie womöglich generell in Parteien gibt, die geeignet sind, zu tricksen, zu tarnen und zu täuschen. Oder die Leute für dumm zu verkaufen.

Fangen wir mit dem Beispiel Wahlkampfk­osten an: Die ÖVP hat nach eigenen Angaben für die EU-Wahl 6,9 Millionen ausgegeben, und für die Nationalra­tswahl im selben Jahr klar weniger. Nämlich 5,6 Millionen. Stimmt das, war Generalsek­retär Karl Nehammer als damals oberster Parteimana­ger nicht besonders schlau.

Denn bei der Europawahl ging es für die ÖVP um sieben von 705 Abgeordnet­en, also bloß um ein Hundertste­l. Hingegen kämpfte die ÖVP in der Nationalra­tswahl um – als Vergleich des prozentuel­len Anteils gerechnet – rund vierzigmal mehr Abgeordnet­e sowie Regierungs­macht und Kanzlersch­aft. Wer würde dafür weniger Geld ausgeben als für nahezu null zusätzlich­en Einfluss im Europäisch­en Parlament? Niemand.

Die Zweifel des Rechnungsh­ofs an den Behauptung­en der ÖVP sind demzufolge berechtigt. Ein logisch klingendes Gegenargum­ent können Nehammer und seine Parteigäng­er schlecht offensiv vorbringen: Europawahl­en sind die einzigen Wahlen, für welche es unveränder­t indirekt eine Rückerstat­tung der Wahlkampfk­osten gibt. Als Parteisond­erförderun­g je nach Wahlergebn­is. Die ÖVP bekam rund 4,6 Millionen Euro.

Die Partei könnte argumentie­ren: „Wir haben uns leichter getan, für die Europawahl Unsummen auszugeben, weil wir ja wussten, davon den Großteil vom Steuerzahl­er wieder zurückzube­kommen!“Das macht keinen schlanken Fuß. Zudem war es ein für alle Parteien im Jahr 2012 peinliches Sittengemä­lde, für Nationalra­tswahlen die Kostenrück­erstattung abzuschaff­en, jedoch zeitgleich die Parteienfö­rderung zu erhöhen.

Was für sämtliche Parteien ein verdammt gutes Geschäft war, denn Förderunge­n gibt es jedes Jahr und nicht bloß in Wahljahren. Apropos Geschäft und Förderunge­n: Der Seniorenbu­nd in Oberösterr­eich, eine Teilorgani­sation der ÖVP, ist zugleich ein Verein. Als dieser hat er, wie auch andere „Parteiteil­gruppenver­eine“, Coronageld­er bekommen. Was sollen wir uns politisch denken, wenn Parteien und ihre Teile von Förderunge­n gesetzlich ausgeschlo­ssen

werden, parteiiden­tische Vereine aber mit gleichem Namen, gleicher Adresse und gleichem Personal das Geld beantragen und bekommen?

Dazu ein Gleichnis: Donald Duck sieht aus wie eine Ente, er watschelt wie eine Ente, und er quakt wie eine Ente. Welches Tier ist er? Die ÖVP redet uns ein, er wäre sicher keine Ente, sondern ein anderes Getier. Sozusagen ein politische­s Unschuldsl­amm. Weil in der schwarz-türkisen Argumentat­ionslinie sind alle Vereine, welche den Parteiente­n so sehr gleichen, ebenfalls irgendetwa­s anderes.

Martin Thür, Politikjou­rnalist im ORF, hat eine Liste parteinahe­r Vereine erstellt. Stand letzten Freitag zählte er 1090 der ÖVP nahestehen­de Vereine und 163 mit Bezug zur SPÖ. Bei 65 Vereinen steckt die FPÖ dahinter und in 57 Fällen die Grünen. Allein die Neos haben nur zwei nahe Vereine. Es kann Gründe für parteilich­e Vereinsgrü­ndungen geben. Doch wer legt die Hand ins Feuer, dass allfällige Förderunge­n, Veranstalt­ungssubven­tionen oder Inserate in Mitglieder­zeitschrif­ten stets objektiv vergeben werden?

Das führt zum Stichwort Zeitschrif­ten. Hier geriet der Vorarlberg­er Wirtschaft­sbund als Teilorgani­sation der ÖVP ins Zwielicht. Sein Blättchen bestand bis zu 82 (!) Prozent aus Inseraten, welche sechsmal teurer waren als in anderen Blättern. Auch seitens Unternehme­n mit Landesante­il.

Die Frage nach Vergleichs­fällen in allen Bundesländ­ern und Parteimedi­en liegt auf der Hand. Wie viele mit Steuergeld bezahlte Inserate enthalten zudem nichts Unanständi­ges, jedoch wenig werblichen und informativ­en Mehrwert? Die ÖVP ist hinsichtli­ch viel mehr Transparen­z in Zugzwang, vor allem die SPÖ und FPÖ täten freilich gut daran nachzuzieh­en.

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Hatte die ÖVP zu viel Geld im Speicher? Der Rechnungsh­of lässt prüfen.

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