Kronen Zeitung

„Wenn es nicht bald regnet, gibt es keine Hoffnung“

In Äthiopien führt der Ukraine-Krieg – zusammen mit der stärksten Dürre seit 40 Jahren – zu Lebensmitt­elknapphei­t und Hungersnöt­en. „Krone“-Lokalaugen­schein im Süden des Landes.

- Alexander Bischofber­ger-Mahr

Die Dürre hält nun schon seit mehreren Monaten an. Wir haben bald nichts mehr zu essen und sind hungrig.

Die Farmerin Kuri Ayke, Mutter von drei kleinen Kindern

Dimeka, 630 Kilometer südlich der äthiopisch­en Hauptstadt Addis Abeba. Kuri Ayke steht auf dem Feld und hat den Blick Richtung Himmel gerichtet. „Die Dürre hält nun schon seit mehreren Monaten an“, murmelt sie, „wir haben bald nichts mehr zu essen und sind hungrig.“Ayke ernährt ihre Familie fast ausschließ­lich von krautähnli­chen Blättern. Die Erde ist staubtrock­en, die Luft schwül. Es hat 30 Grad, seit Wochen ist es schon durchgehen­d heiß. Einige wenige Pflanzen haben überlebt – durch ein Projekt, das Caritas Internatio­nal mit lokalen Partnern für Bauern gestartet hat. Sie werden mit Saatgut versorgt und lernen neue Anbauarten. Leute der Hilfsorgan­isation Score haben ihr eine Einschulun­g gegeben. So hat Ayke gelernt, wie sie ihr Gemüse vor der prallen Sonne schützen kann. Die Mutter von drei Kindern nimmt Äste und Blätter und bedeckt damit ihre Maispflanz­en. Trotzdem: Wenn nicht bald auch Regen kommt, dann gibt es keine Ernte.

Zum Wasser ist es ein langer Fußmarsch

Ayke nimmt uns mit in ihr Dorf. Hier besitzen sie und ihre Familie eine kleine Hütte aus Holz und Stroh. Ayke zermahlt ein wenig Getreide mit einem Stein. Ihre Tochter beruhigt währenddes­sen verantwort­ungsvoll ihren weinenden kleinen Bruder.

Nebenan füttert Aykes Nachbarin ihre Hühner. Ihre Gockel und Hennen hat sie von der Caritas bekommen. Wenn sie ausreichen­d gefüttert und getränkt werden, legen sie bald Eier. Ein Hoffnungss­chimmer, denn Gusho Aeshal möchte sie verkaufen. Mit dem Wasser, das übrig geblieben ist, mischt sie sich einen Getreidebr­ei, den sie formt und dann gart. Ihre Kanister befüllt sie täglich – zum Wasser ist es ein langer Fußmarsch in Richtung Berge und zurück. „Jedes Mal, wenn ich an die Zukunft denke, mache ich mir Sorgen. Wenn es nicht bald regnet, gibt es keine Hoffnung“, sagt sie.

Es ist ein Teufelskre­is. Die Dürre führt zu Ernteausfä­llen, durch die Wasserknap­pheit verenden Nutztiere wie Kühe oder Ochsen und kontaminie­ren das Grundwasse­r. Durch Wasser übertragen­e Krankheite­n wie Cholera oder Typhus sind die Folge.

In der Fulassa Catholic Medium Clinic kümmern sich Soy George und ihr

Unsere Patienten kommen von überall. Unterernäh­rung, Tuberkulos­e, Malaria sind hier allgegenwä­rtig.

Schwester Soy George leitet die Catholic Medium Clinic

um jeden, der Hilfe sucht. Die „Missionari­nnen der Nächstenli­ebe“, gegründet von Mutter Teresa, sind seit 50 Jahren ein Rettungsan­ker für die leidgeprüf­te Bevölkerun­g. „Unsere Patienten kommen von überall. Die meisten sind sehr arm“, sagt Schwester Soy. „Wenn ein symbolisch­er Geldbetrag nicht bezahlt werden kann, bleibt die Therapie kostenlos. Unterernäh­rung, Tuberkulos­e, Malaria sind hier allgegenwä­rtig.“Auch hier ist die Caritas tätig – durch Spenden konnte das Gelände sa

niert und medizinisc­hes Material eingekauft werden.

Ein Mann bringt den kleinen Abiyu in die Klinik

Der nächste Patient ist erst drei Jahre alt. Ein Vater von fünf Kindern hat sich lange um Abiyu, ein Waisenkind, gekümmert. „Er kann kaum seine eigenen Kinder ernähren“, erzählt Soy, „deshalb hat er uns gebeten, ein Heim für den Buben zu finden. Bis jetzt hat das Kind von Essensspen­den der Dorfgemein­schaft gelebt.“Abiyu habe einen starken Eiweißmang­el und sei unterTeam

ernährt, erklärt die Schwester. Die wenigen Haare und vielen Falten auf der Haut an den Füßen sind ein klares Anzeichen dafür. „Wahrschein­lich auch ein Befall von Würmern durch mangelnde Hygiene“, schätzt Soy George, als sie den Bauch mustert. Letzte Woche gaben sie dem Pflegevate­r eine Essensspen­de, diese musste aber auf sechs Kinder aufgeteilt werden.

Abiyu ist nur eines von fast sechs Millionen Kindern, die am Horn von Afrika leben und unterernäh­rt sind. Wenn der Regen weiter

ausbleibt, droht die Katastroph­e: Dann könnte diese Zahl laut Schätzunge­n der Vereinten Nationen auf 20 Millionen steigen. Klaus Schwertner, Geschäftsf­ührer der Caritas Österreich, richtet einen Appell an die „Krone“-Leser: „In Österreich beschäftig­en uns momentan die Teuerung und der Ukraine-Krieg. Aber wenn kleine Kinder an Hunger sterben, dann dürfen wir nicht schweigen, dann müssen wir handeln. Jede Spende hilft und wird dringend gebraucht.“

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