„Wenn es nicht bald regnet, gibt es keine Hoffnung“
In Äthiopien führt der Ukraine-Krieg – zusammen mit der stärksten Dürre seit 40 Jahren – zu Lebensmittelknappheit und Hungersnöten. „Krone“-Lokalaugenschein im Süden des Landes.
Die Dürre hält nun schon seit mehreren Monaten an. Wir haben bald nichts mehr zu essen und sind hungrig.
Die Farmerin Kuri Ayke, Mutter von drei kleinen Kindern
Dimeka, 630 Kilometer südlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Kuri Ayke steht auf dem Feld und hat den Blick Richtung Himmel gerichtet. „Die Dürre hält nun schon seit mehreren Monaten an“, murmelt sie, „wir haben bald nichts mehr zu essen und sind hungrig.“Ayke ernährt ihre Familie fast ausschließlich von krautähnlichen Blättern. Die Erde ist staubtrocken, die Luft schwül. Es hat 30 Grad, seit Wochen ist es schon durchgehend heiß. Einige wenige Pflanzen haben überlebt – durch ein Projekt, das Caritas International mit lokalen Partnern für Bauern gestartet hat. Sie werden mit Saatgut versorgt und lernen neue Anbauarten. Leute der Hilfsorganisation Score haben ihr eine Einschulung gegeben. So hat Ayke gelernt, wie sie ihr Gemüse vor der prallen Sonne schützen kann. Die Mutter von drei Kindern nimmt Äste und Blätter und bedeckt damit ihre Maispflanzen. Trotzdem: Wenn nicht bald auch Regen kommt, dann gibt es keine Ernte.
Zum Wasser ist es ein langer Fußmarsch
Ayke nimmt uns mit in ihr Dorf. Hier besitzen sie und ihre Familie eine kleine Hütte aus Holz und Stroh. Ayke zermahlt ein wenig Getreide mit einem Stein. Ihre Tochter beruhigt währenddessen verantwortungsvoll ihren weinenden kleinen Bruder.
Nebenan füttert Aykes Nachbarin ihre Hühner. Ihre Gockel und Hennen hat sie von der Caritas bekommen. Wenn sie ausreichend gefüttert und getränkt werden, legen sie bald Eier. Ein Hoffnungsschimmer, denn Gusho Aeshal möchte sie verkaufen. Mit dem Wasser, das übrig geblieben ist, mischt sie sich einen Getreidebrei, den sie formt und dann gart. Ihre Kanister befüllt sie täglich – zum Wasser ist es ein langer Fußmarsch in Richtung Berge und zurück. „Jedes Mal, wenn ich an die Zukunft denke, mache ich mir Sorgen. Wenn es nicht bald regnet, gibt es keine Hoffnung“, sagt sie.
Es ist ein Teufelskreis. Die Dürre führt zu Ernteausfällen, durch die Wasserknappheit verenden Nutztiere wie Kühe oder Ochsen und kontaminieren das Grundwasser. Durch Wasser übertragene Krankheiten wie Cholera oder Typhus sind die Folge.
In der Fulassa Catholic Medium Clinic kümmern sich Soy George und ihr
Unsere Patienten kommen von überall. Unterernährung, Tuberkulose, Malaria sind hier allgegenwärtig.
Schwester Soy George leitet die Catholic Medium Clinic
um jeden, der Hilfe sucht. Die „Missionarinnen der Nächstenliebe“, gegründet von Mutter Teresa, sind seit 50 Jahren ein Rettungsanker für die leidgeprüfte Bevölkerung. „Unsere Patienten kommen von überall. Die meisten sind sehr arm“, sagt Schwester Soy. „Wenn ein symbolischer Geldbetrag nicht bezahlt werden kann, bleibt die Therapie kostenlos. Unterernährung, Tuberkulose, Malaria sind hier allgegenwärtig.“Auch hier ist die Caritas tätig – durch Spenden konnte das Gelände sa
niert und medizinisches Material eingekauft werden.
Ein Mann bringt den kleinen Abiyu in die Klinik
Der nächste Patient ist erst drei Jahre alt. Ein Vater von fünf Kindern hat sich lange um Abiyu, ein Waisenkind, gekümmert. „Er kann kaum seine eigenen Kinder ernähren“, erzählt Soy, „deshalb hat er uns gebeten, ein Heim für den Buben zu finden. Bis jetzt hat das Kind von Essensspenden der Dorfgemeinschaft gelebt.“Abiyu habe einen starken Eiweißmangel und sei unterTeam
ernährt, erklärt die Schwester. Die wenigen Haare und vielen Falten auf der Haut an den Füßen sind ein klares Anzeichen dafür. „Wahrscheinlich auch ein Befall von Würmern durch mangelnde Hygiene“, schätzt Soy George, als sie den Bauch mustert. Letzte Woche gaben sie dem Pflegevater eine Essensspende, diese musste aber auf sechs Kinder aufgeteilt werden.
Abiyu ist nur eines von fast sechs Millionen Kindern, die am Horn von Afrika leben und unterernährt sind. Wenn der Regen weiter
ausbleibt, droht die Katastrophe: Dann könnte diese Zahl laut Schätzungen der Vereinten Nationen auf 20 Millionen steigen. Klaus Schwertner, Geschäftsführer der Caritas Österreich, richtet einen Appell an die „Krone“-Leser: „In Österreich beschäftigen uns momentan die Teuerung und der Ukraine-Krieg. Aber wenn kleine Kinder an Hunger sterben, dann dürfen wir nicht schweigen, dann müssen wir handeln. Jede Spende hilft und wird dringend gebraucht.“