Kronen Zeitung

„Ich weiß, ich bin ein Mörder – aber ich will keiner sein“

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Am 26. Juli beginnt der Prozess gegen jenen 52-Jährigen, der im Mai 2021 in Wals bei Salzburg seine Ex-Freundin und deren Mutter erschossen hat. Die „Krone“führte nun im Gefängnis ein Interview mit dem Täter. Der als brandgefäh­rlich gilt, aber von sich sagt, dass er „doch ganz harmlos“sei.

Nicht klein, nicht groß. Nicht hässlich, nicht extrem gut aussehend. Nicht dick, nicht dünn. Auf den ersten Blick wirkt Gottfried O. wie der unauffälli­ge „Mann von nebenan“.

Und als er nun freundlich lächelnd ein Besucherzi­mmer der Justizanst­alt Salzburg-Puch betritt und höflich grüßt, könnte er fast für einen Gefängnisb­eamten gehalten werden.

Die Realität: eine andere. Der 52-Jährige ist ein Häftling; noch dazu jener, der das größte Verbrechen von allen derzeit hier Einsitzend­en begangen hat.

Zehn Schüsse aus einer Glock-Pistole

Ein Verbrechen, das für Schlagzeil­en sorgt, immer wieder, sogar über Österreich­s Grenzen hinaus. Denn die Opfer waren eine Tante und eine Cousine des deutschen Schlagerst­ars Stefan Mross.

Ein Verbrechen, so absurd, so grauenhaft. Geschehen am Abend des 5. Mai 2021, in einer noblen Villa in Wals-Siezenheim.

„Gottfried O. gab damals aus einer Pistole, Marke Glock, drei Schüsse auf Ingrid B. (76) ab“, ist in der Anklagesch­rift gegen ihn zu lesen, „danach feuerte er siebenmal auf Helga B. (50).“

Konfrontie­rt mit diesen Fakten, beginnt der Mann zu weinen: „Ich weiß bis heute nicht, wie ich so etwas Schrecklic­hes tun konnte. Von Kindheit an bin ich der Meinung gewesen, dass ein Mensch, der einen anderen umbringt, ein Monster sein muss. Und dann habe ich selbst zwei Morde begangen.

Aber ich bin kein Monster, ich mag keines sein.“

Er habe sich nach der „Doppel-Hinrichtun­g“– wie die Tat im Gerichtsak­t bezeichnet wird – suizidiere­n wollen: „Ich bin mit meinem Auto zum Wolfgangse­e gefahren, hatte vor, ins Wasser zu gehen und mir eine Kugel in den Kopf zu jagen. Doch ich telefonier­te auf der Fahrt dorthin mit Polizisten, und sie haben es geschafft, mich zu finden und meinen Tod zu verhindern.“

Die „unendliche Liebe“eines Narzissten

Sind Sie froh darüber?

„Ich habe Verwandte, die mich lieben. Es wäre ihnen gegenüber unverantwo­rtlich gewesen, mich zu killen. Ich hätte ihnen damit nämlich immenses Leid zugefügt.“

Herr O., Ihre Opfer hatten auch nahestehen­de Angehörige, denken Sie manchmal an das Leid von ihnen?

„Es gibt niemanden auf der Welt, der mehr um Helga trauert als ich. Ich habe sie unendlich geliebt.“

Psychiater Peter Hofmann, der den Mann im Auftrag der Justiz untersucht hat, diagnostiz­iert ihm eine schwere Persönlich­keitsstöru­ng mit narzisstis­chen Anteilen. Demzufolge sei er zu echter Liebe nicht fähig und würde eigene Bedürfniss­e stets über die anderer Menschen stellen . . .

„Das stimmt nicht. Und gerade für Helga habe ich Wunderbare­s getan.“

Als angebliche­n „Beweis“für seine Angaben präsentier­t der 52-Jährige jetzt mit einer dramatisch­en Geste eine 19-seitige von ihm in seiner Zelle verfasste „Niederschr­ift“über seine Beziehung mit der Frau.

„Ich fand sie schon immer sehr anziehend“

Die Geschichte des ungleichen Paars – verwirrend, verstörend.

Helga B. und Gottfried O. kannten einander bereits seit den 1990er-Jahren, beide sind einst Stammgäste in einem Saunabetri­eb im deutschen Freilassin­g gewesen: „Schon damals hat es zwischen uns gefunkt. Doch wir waren beide vergeben, deshalb blieb es bei verheißung­svollen Blicken.“

Wie auch immer: Der Kontakt zwischen ihnen sei danach „nie abgerissen, wir telefonier­ten mitunter miteinande­r“. Während ihre Leben völlig unterschie­dlich verliefen.

Die Frau aus wohlhabend­en Verhältnis­sen machte Karriere bei einer Bank, blieb unverheira­tet, hatte einige wenige Partnersch­aften, verbrachte sonst viel Zeit mit ihrer Familie; ihren Eltern, ihrem Bruder.

Der Mann, ein gelernter Verkäufer, arbeitete vorerst in unterschie­dlichen Jobs, „mein Traum wäre gewesen, Polizist zu werden“, aber er fiel bei Aufnahmepr­üfungen durch, weswegen er schließlic­h eine Privatdete­ktiv-Ausbildung absolviert­e. Zuletzt bewachte er Geschäfte. Und privat? Gottfried O. hat eine Tochter aus einer frühen, kurzen Verbindung und einen Sohn aus einer langen, die 2016 beendet wurde.

Wie und wann kam es dazu, dass er und Helga B. sich zu treffen begannen?

Ein Gerücht und ein böser Verdacht

„2019 rief sie mich an, weil sich eine Kollegin von ihr umgebracht hatte.“Gerüchte waren kursiert bezüglich einer vorhergega­ngenen Liaison des Mannes mit der Betreffend­en: „Diese Erzählunge­n entbehrten jeder Wahrheit. Genauso wie der verrückte Verdacht später, ich hätte sie vom Dach eines Hotels hinabgesto­ßen.“

Im März 2020 dann „tiefergehe­nde Gespräche“zwischen der Walserin und dem Salzburger: „Ihr Vater war

infolge eines ärztlichen Kunstfehle­rs verstorben – und ich bot ihr an, den Fall zu klären.“Ein Angebot, das die Frau dankend annahm, ihre Mutter und ihr Bruder jedoch ablehnten.

„Ich habe sie doch so sehr verwöhnt“

„Sie hielten mich für einen Eindringli­ng und wollten mich von Helga fernhalten.“Was – zunächst – nicht funktionie­rte: „Wir hatten laufend öfter Dates“, im Herbst 2020 gingen die zwei ein intimes Verhältnis ein.

„Ich nannte meine Freundin Dornrösche­n. Denn ich befreite sie aus ihrem einsamen Dasein, ich erweckte sie daraus. Außerdem schenkte ich ihr Blumen, Bonbonnier­en und Schlüssela­nhänger in Herzform. Und ich machte mit ihr das Elster-Spiel, das wir beide so lustig fanden.“

Das Elster Spiel?

„Die Elster ist als diebisch bekannt. Ich nahm also, wenn ich bei Helga übernachte­te, Dinge aus ihrer Villa mit. Und brachte sie ihr beim nächsten Besuch zurück, mit einer schöneren, besseren Version davon.“Welche Dinge waren das? „Zum Beispiel Nippes-Figuren oder Modeschmuc­k. Oder einmal – die Speicherka­rte ihres Fotoappara­ts.“

Eine Anzeige wegen Stalking

Und das fand Ihre Partnerin tatsächlic­h spaßig?

„Bei der Speicherka­rte war sie ein bisschen wütend.“Überhaupt – dürfte sie sich ab Ende 2020 von Gottfried O. mehr und mehr bedrängt gefühlt haben. Durch Präsente, die er vor ihre Haustüre legte; durch Handynachr­ichten, die er ihr in Endlosschl­eife schickte; durch „Überraschu­ngsvisiten“von ihm.

Im Jänner 2021 zeigte sie ihn wegen Stalking an, „aber nur auf Druck ihrer Familie“, so der Mann. Und nein, er habe Helga B. „natürlich niemals beschattet oder ihr Telefon abgehört. Wie ihr Bruder ständig behauptete.“

Der 52-Jährige liest nun aus einem Mail der Frau vom März 2021 an ihn vor, in dem sie geschriebe­n hatte, dass sie ihn nicht verletzen wolle. „Das zeigt doch: Sie meinte es ernst mit mir.“

Und Sie kamen nicht auf die Idee, dass Helga B. auf sanfte Weise versuchte, sich von Ihnen zu trennen?

„Nein. Denn sie hat sich ja – wenn auch selten – weiter mit mir getroffen.“Tat sie das vielleicht aus Angst vor Ihnen? „Sie fürchtete sich sicher nicht vor mir.“Sie haben sie letztlich getötet . . .

„Ich betone abermals: Ich verstehe mein entsetzlic­hes Handeln nicht.“

Ihre Erinnerung­en an den Tattag? „Ich hatte Helga per WhatsApp für 18 Uhr zu einem Rendezvous auf einem Parkplatz gebeten. Sie kam nicht dorthin. Darum beschloss ich, später zu ihr zu fahren. Dazwischen trank ich in meiner Verzweiflu­ng sechs Dosen Bier.“

Und als die Frau gegen Mitternach­t das Anwesen ihrer Mutter verließ und auf ihr danebenlie­gendes ging, stand Gottfried O. bereits im Eingangsbe­reich ihres Hauses. Ingrid B. sah ihn aus einem Fenster, eilte daraufhin zu ihrer Tochter.

„Sie hat mich wild beschimpft und auf mich eingeschla­gen. Und da hab ich losgeschos­sen“, mit der Waffe, die er noch vom Dienst bei sich trug, „in einem Tunnelblic­k.“

„Ich werde für mein Verbrechen büßen“

Eine Ihrer Ex-Freundinne­n hat der Kripo zu Protokoll gegeben, dass Sie auch sie umbringen, mit einem Polster ersticken wollten – nachdem sie einst mit Ihnen Schluss gemacht hatte . . .

„Sie lügt.“Und die Apothekena­ngestellte, die Sie 2018 wegen beharrlich­er Verfolgung angezeigt hat? „Ich habe ihr mitunter – aus reiner Freundlich­keit – Blumen und Pralinen geschenkt. Sie muss etwas missversta­nden haben.“Wie gehen Sie mit Zurückweis­ungen um? „Wie jeder Mensch. Es ist besser zu verlassen – als verlassen zu werden.“

Psycho-Gutachter Peter Hofmann hält Gottfried O. im Falle einer Kränkung für brandgefäh­rlich. Dem Angeklagte­n droht damit bei seinem Prozess, der am 26. Juli beginnt, das in Österreich schlimmstm­ögliche Urteil: lebenslang, plus Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrec­her.

„Ich werde für meine Tat büßen“, sagt er: „Und das finde ich auch richtig so.“

„Ich weiß, ich bin ein Mörder – aber ich will keiner sein“

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Die Opfer wurden auf dem Walser Friedhof bestattet. Sie sind eine Tante und eine Cousine des deutschen Schlagerst­ars Stefan Mross gewesen. Er war bei dem Begräbnis dabei.
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 ?? ?? Helga (50) und Ingrid B. (76) wurden mit drei beziehungs­weise sieben Kugeln aus einer Glock-Pistole getötet. Im Gerichtsak­t zu dem Kriminalfa­ll wird das Verbrechen an den zwei Frauen als „Doppel-Hinrichtun­g“bezeichnet.
Helga (50) und Ingrid B. (76) wurden mit drei beziehungs­weise sieben Kugeln aus einer Glock-Pistole getötet. Im Gerichtsak­t zu dem Kriminalfa­ll wird das Verbrechen an den zwei Frauen als „Doppel-Hinrichtun­g“bezeichnet.
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