Kronen Zeitung

Urteil für eine Tote: EU-Gericht kritisiert „unfaires Verfahren“

80-Jährige stirbt nach Mordversuc­h als Kriminelle in der Haft – posthum findet EU-Justiz hier eine Menschenre­chtsverlet­zung

- Kerstin Wassermann

Vier Jahre ist es her, dass eine 80-Jährige in Klagenfurt wegen Mordversuc­h an ihrem Ehemann verurteilt und hinter Gitter geschickt wurde – wo sie bereits verstorben ist. Ihr Fall aber sorgt nun bis zum Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte für Wirbel: „Denn es wurde eine Verletzung der Verteidige­rrechte nach Artikel 6 der Menschenre­chtskonven­tion festgestel­lt“, berichtet Anwalt Alexander Todor-Kostic. „Meiner ehemaligen Mandantin bringt das leider nichts mehr.“Doch andere könnten profitiere­n. Worum geht’s? Bei der Frage der Zurechnung­sfähigkeit der betagten Angeklagte­n gab es zwei Gutachten, einander massiv widersprec­hend. Das Erstgerich­t beließ es beim vom Gesetz vorgesehen­en „Obergutach­ten“– laut EuGH hätte man aber doch einen dritten Sachverstä­ndigen zu Rate ziehen sollen!

„Wäre die Frau noch am Leben, müsste ihr Prozess neu aufgerollt werden“, so Kurt Kirchbache­r vom Obersten Gerichtsho­f. „So aber bleibt sie rechtskräf­tig verurteilt – eine unglücklic­he Situation!“

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