Urteil für eine Tote: EU-Gericht kritisiert „unfaires Verfahren“
80-Jährige stirbt nach Mordversuch als Kriminelle in der Haft – posthum findet EU-Justiz hier eine Menschenrechtsverletzung
Vier Jahre ist es her, dass eine 80-Jährige in Klagenfurt wegen Mordversuch an ihrem Ehemann verurteilt und hinter Gitter geschickt wurde – wo sie bereits verstorben ist. Ihr Fall aber sorgt nun bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für Wirbel: „Denn es wurde eine Verletzung der Verteidigerrechte nach Artikel 6 der Menschenrechtskonvention festgestellt“, berichtet Anwalt Alexander Todor-Kostic. „Meiner ehemaligen Mandantin bringt das leider nichts mehr.“Doch andere könnten profitieren. Worum geht’s? Bei der Frage der Zurechnungsfähigkeit der betagten Angeklagten gab es zwei Gutachten, einander massiv widersprechend. Das Erstgericht beließ es beim vom Gesetz vorgesehenen „Obergutachten“– laut EuGH hätte man aber doch einen dritten Sachverständigen zu Rate ziehen sollen!
„Wäre die Frau noch am Leben, müsste ihr Prozess neu aufgerollt werden“, so Kurt Kirchbacher vom Obersten Gerichtshof. „So aber bleibt sie rechtskräftig verurteilt – eine unglückliche Situation!“