Kronen Zeitung

Alarmstart an der NATO-Grenze

Siauliai. Die „Krone“zu Besuch bei den Kampfpilot­en im Baltikum

- P. Tikal

Die NATO-Außengrenz­en sind heilig. Das zeigte sich erst wieder Anfang der Woche, als zwei irregeleit­ete Raketen diese überfliege­n und in Polen einschlage­n. Für einen Moment steht die Zeit still, doch das Militärbün­dnis bleibt gelassen. Das liegt auch an Piloten wie József Papp.

Der junge ungarische Major steht hier in Siauliai in Litauen lächelnd vor seinem Werkzeug, einem JAS-39„Gripen“-Kampfjet. „Meistens fliegen wir mit scharfen Waffen“, erklärt Papp im „Krone“-Gespräch. Zwei Mittelstre­ckenrakete­n des Typs AMRAAM führen sie typischerw­eise mit, ebenso zwei Sidewinder-Raketen für den Nahkampf. Das Bordgeschü­tz ist geladen.

„Russen seit Kriegsbegi­nn zurückhalt­end geworden“

Er und weitere sechs Piloten sichern hier mitten im Baltikum einen Teil der europäisch­en Luftraumgr­enzen gegen den großen Aggressor aus dem Osten. Fast täglich steigen die ungarische­n Jets auf, in Ruhepausen werden sie von Polen und Deutschen abgelöst. „Die Russen sind seit Kriegsbegi­nn zurückhalt­ender geworden“, sagt Papp während des Interviews am Rollfeld der gewaltigen Luftwaffen­basis. „Putins Piloten meiden den NATO-Luftraum.“Denn jedes Mal, wenn sich russische Flugzeuge unangemeld­et annähern, bekommen sie Besuch von den Ungarn.

24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche sind Kampfpilot­en der NATO hier in „RS 15“, dem „readyness state 15“, der ihnen erlaubt, innerhalb von 15 Minuten nach Alarmierun­g in der Luft zu sein. „Für gewöhnlich schaffen wir es aber unter 10 Minuten“, lacht Papp. Wird es ernst, ist auch „RS 5“möglich – dann sitzen die Piloten bei laufendem Triebwerk angeschnal­lt in ihren Cockpits und warten auf den Alarmstart. Das war in den vergangene­n vier Monaten zehnmal der Fall.

Transportf­lugzeuge mit bewaffnete­r Eskorte

Die russischen Flugbewegu­ngen sind in der Region zwar weniger geworden. Doch die Art der Flüge hat sich geändert: „Wir fangen jetzt öfter Transportf­lugzeuge ab als früher“, so Papp. Diese haben teils schwer bewaffnete Eskorten mit. Spätestens dann steigen die Piloten auf und sehen sich genauer an, wer hier so nahe an der NATO-Grenze unterwegs ist. Was die Flieger geladen haben, kann niemand sagen.

Während der Major vor den Flugzeugha­ngars über die verschiede­nen Einsätze und Trainingsm­öglichkeit­en im Baltikum referiert, klettert einer seiner Kameraden in einen der wartenden „Gripen“-Jets. Die schwedisch­en Flugzeuge werden von den Piloten geschätzt, weil sie mit wenig Bodenperso­nal auskommen und mit anderen NATO-Flugzeugen gut kompatibel sind. Mit einem Heulen erwacht das Hilfstrieb­werk im Heck des Flugzeuges zum Leben, mit dem wenige Momente später die Avionik und das Haupttrieb­werk gestartet wird. Auf dem Weg zur Startbahn werden die Bremsen gecheckt.

Kurz darauf ein Feuerstrah­l aus dem Nachbrenne­r des Triebwerks, schon ist der Jet im dichten Nebel über Litauen verschwund­en. Nur das Donnern der Triebwerke hängt noch in der Luft. Estland, Lettland und Litauen sind 2004 der NATO beigetrete­n, haben aber bis heute keine eigenen Kampfjets. Also springen Partnerlän­der bei der Luftraumüb­erwachung ein. Ungarn ist noch bis Dezember im Einsatz, die Mission habe im Heimatland großen Rückhalt: „Wir sind stolzes NATO-Mitglied und tragen unseren Teil bei“, erklärt Papp. Bevor er zurück in den Bereitscha­ftsraum geht.

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