Frühlingshauch, der verweht
Staatsoper: Massenets „Werther“mit Korchak, Boulianne
Weihnachten naht, und die Staatsoper hat sich wohl darauf besonnen: Nach Beginn der neuen Serie von Verdis „Macbeth“stand tags darauf Massenets „Werther“auf dem Programm. Und am 30. November, vier Tage vor der Premiere von Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“, wird Umberto Giordanos „Andrea Chenier“mit Jonas Kaufmann gespielt.
Verdi füllt die Opernhäuser, aber auch Opern wie Jules Massenets 1892 in Wien uraufgeführtes „Drame lyrique“nach Goethe. Die Affinität der Wiener zur französischen Musik scheint ungebrochen. Wie man bei der ersten Vorstellung der neuen Serie sehen konnte.
Über die Vorgänger-Inszenierung von Pierluigi Samaritani hat besonders das Wiener Feuilleton trotz hervorragender Besetzungen im Einklang immer gemäkelt: Es fehle das Gefühl etc. Auf Andrei Şerbans Version unter der Weltesche von Peter Pabst samt Nachkriegsmief, inszeniert im Jahr 2005, trifft das genauso zu. Überzeugt hat hier bei „Werther“immer das Musikalische – damit ist man auch in dieser Serie auf der sicheren Seite.
Die Abendspielleitung hat ganze Arbeit geleistet, und auch im Orchestergraben ist fast alles bestens, auch wenn Dirigent Alejo Pérez mitunter hart zugreift, den Duft von Massenets französischem Ton mit Wucht vertreibt. Die verlangt von den Sängern, besonders von den Hauptfiguren Werther und Charlotte, in manchen Momenten eine stimmliche Kraftanstrengung, die aber gemeistert wird.
Dennoch kommt die Poesie des leidenden Dichters Werther zum Vorschein: Dmitry Korchak bringt mit der Arie „Pourquoi me réveiller, ô souffle du printemps?“Frühlingshauch in die trübe, winterlich-weihnachtliche Stimmung. Mit stimmlicher Präsenz und Leidenschaft eines Tenors. Julie Boulianne als die von ihm angebetete Charlotte zeigt gepflegten, etwas kühlen Opernstil und -gesang. Im Leiden bleiben alle eher verhalten, selbst Maria Nazarova als quirlige Sophie und Attila Mokus als unscheinbarer Albert.