Kronen Zeitung

Nach stillem Protest lief Deutschlan­d in Blamage

- Christian Reichel

Die Frage nach der Kapitänsbi­nde beschäftig­te die deutsche Nation vor dem Anpfiff weit mehr als das Auftaktspi­el gegen Japan selbst. Letztlich hielt sich auch Manuel Neuer an die neue Vorgabe: Der Torhüter verzichtet­e auf eine Provokatio­n, lief mit der offizielle­n FIFA-Binde „No discrimina­tion“auf.

Das Schiri-Trio blieb dennoch misstrauis­ch, ging auf Nummer sicher: Assistent Zeegelaar nahm vor dem Anpfiff einen letzten Check vor, sah sich Neuers Binde aus nächster Nähe an, fasste sie sogar an. „Sie war etwas runtergeru­tscht, saß locker, kein guter Hersteller“, kritisiert­e Neuer nach Spielende auch die Kurzfristi­gkeit des FIFA-Machtworts: „Vom Timing ein Wahnsinn.“

Ein stilles Zeichen des Protests setzte Deutschlan­d dennoch. Die Spieler kurz vor Beginn, als sich beim Mannschaft­s-Foto jeder von ihnen die Hand vor den Mund hielt. Die Botschaft in Richtung FIFA fasste Neuer in Worte: „Wir lassen uns die Binde nehmen, aber niemals unsere Stimme, werden unsere Werte immer vertreten und auch für die Menschenre­chte einstehen.“

Innenminis­terin trug Binde

Für das deutsche Team trat auf der Tribüne Nancy Faeser in Aktion: Die deutsche Innenminis­terin zog im Verlauf der ersten Hälfte an der Seite von DFB-Präsident Bernd Neuendorf ihren Blazer aus – zum Vorschein kam am linken Oberarm die „One Love“-Binde.

Zur Negativ-Stimmung, die sich speziell in Deutschlan­d in den letzten Wochen rund um die WM breitmacht­e, passte gestern das Ergebnis. Das DFB-Team hielt sich erst den Mund zu, bekam am Ende dennoch eins auf die Schnauze. Dabei waren die Deutschen lange Zeit das klar bessere Team, ließen nach dem Elfer-Tor von Gündogan (33.) durch Mu

siala, Gnabry (Außenstang­e) und Gündogan dicke Chancen auf das 2:0 aus. Zudem zeichnete sich Ex-HornGoalie Gonda gegen Gündogan aus (70.). Was sich rächte: Japan drehte im Finish binnen acht Minuten das Spiel, siegte durch Tore von Doan (75.) und Asano (83.) 2:1. Teamchef Flick: „Das ist brutal enttäusche­nd, darf einfach nicht passieren.“

Klar drängte sich da am Ende auch die Frage auf, inwiefern die Stimmung im eigenen Land auf die Leistung abfärbte: „Dass es nicht optimal lief, liegt auf der Hand“, gestand Mittelfeld­spieler Leon Goretzka. Ob es weitere Protest-Aktionen geben wird, ließ Joshua Kimmich offen: „Eines ist klar: Wir lassen uns auch in Zukunft von niemandem den Mund verbieten. Wenn wir etwas zu sagen haben, werden wir es tun.“

Während Japan überschwän­glich die Sensation feierte. Die lautstarke­n Fans auf ihre eigene, sympathisc­he Art, sie hatten Müllsäcke mit, nahmen vorm Verlassen des Khalifa-Stadions ihren Mist wieder mit. Für sie eine Frage des Respekts!

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Japan jubelte über die Sensation.
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Neuers Kapitänssc­hleife wurde überprüft.
 ?? ?? DFB-Präsident Neuendorf und Innenminis­terin Faeser mit „One Love“-Schleife.
DFB-Präsident Neuendorf und Innenminis­terin Faeser mit „One Love“-Schleife.

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