Kronen Zeitung

„Das Menschlich­e darf nie auf der Strecke bleiben“

⧁ Seit 34 Jahren im Profi-Geschäft, seit Sommer ohne Job – aber Adi Hütter macht sich keine Sorgen, aus dem „Radl“zu fallen ⧁ Unser Trainer-Export spricht über reizvolle Angebote, Geduld, die Teamchef-Wahl und Red Bull

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H err Hütter, wann kehren Sie wieder auf die Trainerban­k zurück?

Das wird man sehen. Seit Mitte Oktober verfolge ich intensiv den Fußball wieder, ist das Kribbeln wieder da.

Wie ging es Ihnen nach der Trennung von Gladbach im Sommer – regierte der Frust oder die Erleichter­ung?

Weder noch, aber nach 34 Jahren in diesem Geschäft war es der richtige Schritt. Ich habe selbst gesagt: Stopp, das letzte Jahr war nicht gut. Ich habe die Zeit genutzt, um zu reflektier­en, mich zu hinterfrag­en.

Waren Sie ausgebrann­t, hat der Körper bereits Warnsignal­e gesendet?

Nein, der Job ist intensiv. Aber ich habe gelernt, nicht alles persönlich zu nehmen.

Wenn man gewinnt, ist man gut, wenn man verliert, ist man schlecht – das stimmt nicht. Aber die Zeit mit der Familie hat jetzt gutgetan. Woran sind Sie in Gladbach gescheiter­t?

Ich habe es nicht geschafft, so eine Bindung aufzubauen, dass mir die Spieler blind folgen. Sie wollten einen anderen Fußball spielen. Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort.

Haben Sie den Abgang aus Frankfurt je bereut, Oliver Glasner feiert mit der Eintracht große Erfolge.

Bereut habe ich nichts, der Oli ist dort jetzt unsterblic­h. Wer weiß, ob ich diese Erfolge gefeiert hätte. Frankfurt ist mir ans Herz gewachsen, aber mir sind damals viele Stützen weggebroch­en.

Warum haben Sie Peter Schöttel, dem ÖFB, abgesagt, obwohl es in Gladbach schon nach Abschied aussah?

Ich bin ein Kämpfer, gebe nicht leicht auf. Das Gespräch mit Schöttel war sehr profession­ell, für mich eine Ehre, als Teamchef ein Thema zu sein. Aber in meiner Planung sehe ich mich als Klubtraine­r.

Der seit Mai arbeitslos ist – haben Sie keine Angst, aus dem Trainer-Radl zu fallen?

Sie meinen, aus dem Auge, aus dem Sinn? Nein, ich habe mir einen Namen aufgebaut, dass ich nicht so schnell vergessen werde. Ich bin geduldig. Angebote soll es ja bereits gegeben haben?

Das ist richtig. Aber?

Mich interessie­rt die Vision des Klubs, wo will man hin, wo kann man etwas aufbauen. Viele waren auch überrascht, dass ich zu Bern

gegangen bin. Wenn das einzige Ziel Klassenerh­alt ist, gibt es genug Trainer.

Eine Rückkehr nach Österreich schließen Sie aus? Bei Rapid könnte man auch etwas aufbauen . . .

Man soll nie nie sagen, aber ich habe andere Pläne.

Sie waren mit Salzburg erfolgreic­h – ist Red Bull Fluch oder Segen für unsere Liga?

Für die Spannung, die Fans ist es nicht gut. Aber ohne Salzburg hätte Sturm für Højlund auch nicht 17 Millionen Euro bekommen. Andere Klubs können da im Schatten mitwachsen. Welche Liga reizt?

Da werde ich mich nicht festlegen. Ist die Sprache für Sie als Trainer ein Kriterium?

Man muss die Emotionen übermittel­n können, egal, in welcher Sprache. Damit komme ich zurecht. In Frankfurt hatte ich auch Spieler aus 17 Nationen. Würden Sie sich als LaptopTrai­ner bezeichnen?

Die Spieler sind gläsern, man sammelt Daten, über alles, was auf dem Rasen passiert. Das ist ein Hilfsmitte­l. Aber den Kopf kann man nicht berechnen. Das Menschlich­e darf nie auf der Strecke bleiben.

Sie haben Österreich­s 2:0 gegen Italien im Stadion gesehen – ihr Eindruck?

Man erkennt die Handschrif­t des Teamchefs, die erste Halbzeit war imponieren­d. Es geht in die richtige Richtung.

Die EURO 2024 ist Österreich­s großes Ziel – verfolgen Sie jetzt die WM in Katar?

Ja, das ist meine Aufgabe als Trainer. Auch wenn die WM am falschen Ort zur falschen Zeit stattfinde­t.

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