Kronen Zeitung

Die Austronaut­in

Die Kärntner Ärztin Carmen Possnig setzte sich im ESA-Auswahlver­fahren unter 22.500 Bewerbern durch. Uns verriet sie: „Schon als Mädchen wollte ich Astronauti­n werden.“

- Gregor Brandl/ Clara M. Steiner

„DIE MILCHSTRAS­SE quer über dem Himmel. So greifbar, als könnte ich mit nur einem weiteren Schritt in dieses Sternenmee­r hineintauc­hen“, sagt Carmen Possnig über ihre Zeit am Südpol. Dort bereitete sich die Kärntnerin auf mögliche Raumfahrt-Missionen vor – ein Traum, der als Reserve-Astronauti­n für die ESA nun bald wahr werden könnte.

Das Leben von Possnig liest sich wie eine Abenteuerg­eschichte, die sie der „Krone“anvertraut­e. Im Herbst 2016 war die junge Ärztin gerade in einem Wiener Krankenhau­s im Nachtdiens­t tätig, als ihr um 3.30 Uhr morgens fast die Augen zufielen. Ein Blick auf das Handy, um die quälende Müdigkeit zu unterdrück­en – und plötzlich war sie hellwach!

Ein E-Mail im Postfach mit dem Absender ESA: Die Europäisch­e Weltraumor­ganisation suchte eine Medizineri­n für die Antarktis-Station „Concordia“. Aufgabe: Ein Jahr in völliger Isolation die Folgen der extremen Bedingunge­n für den menschlich­en Körper erforschen, um für mögliche RaumfahrtM­issionen gerüstet zu sein. Es folgten Bewerbung, Auswahlver­fahren, Belastungs­proben und wissenscha­ftliche Kreuzverhö­re. Am Ende hieß es: „Sie sind für das Projekt wie geboren.“

Am Nachmittag des 21. November 2017 wurde ihr Traum wahr: erste knirschend­e Schritte im Schnee des weißen Kontinents. In der „Concordia“-Enklave – eine 1500 Quadratmet­er große und von Dieselaggr­egaten beheizte Stelzenkon­struktion – gab es sogar MiniSauna und Fitnesscen­ter.

Draußen: ewige Winternach­t bei minus 80 Grad, sofortiger Tod ohne Schutzanzu­g. Drinnen: der Kampf gegen sich selbst. Anflüge von Höhenkrank­heit, Schlafstör­ungen und Erinnerung­slücken wegen der dünnen Luft, Einschränk­ungen bei der Feinmotori­k – all das musste die Klagenfurt­erin am eigenen Leib erleben. Für mögliches Heimweh gab es immer eine Notration von Kärntner Speck im Gepäck.

Im Dezember 2018 ging das Abenteuer zu Ende, mit Eindrücken, die sie 2020 im Buch „Südlich vom Ende der Welt“beschrieb. Und ein neues Abenteuer steht schon bevor: Possnig hat es nach einem 18 Monate andauernde­n Auswahlver­fahren tatsächlic­h als Reserveast­ronautin ins ESA-Korps geschafft – und damit die Chance, als erste Österreich­erin ins Weltall zu fliegen. 1991 absolviert­e mit Franz Viehböck der bisher einzige Österreich­er einen All-Aufenthalt (siehe unten).

Was Possnig dazu sagt? „Ganz großartig, wirklich toll! Ich kann das noch gar nicht richtig glauben“, so die Neo-Astronauti­n zur APA. Wie hoch die Chancen sind, einmal bei einer WeltraumMi­ssion dabei zu sein, sei schwer zu sagen – sie sei aber positiv eingestell­t, habe sie sich doch gegen rund 22.500 Bewerber durchgeset­zt. Und wie geht’s weiter? „Wir bekommen ESA-Trainings, haben jährliche medizinisc­he Check-ups und werden je nach persönlich­en Fähigkeite­n und profession­ellen Hintergrün­den auf Missionen geschickt“, erklärt Possnig, die meint, dass sich diese Aufgaben neben ihrem PhD-Studium an der Universitä­t Innsbruck gut ausgehen werden.

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