Der Wendehals im Kapitol
Washington. Der in seiner Einstellung zu Donald Trump höchst flexible Republikaner Kevin McCarthy ist auf dem besten Weg, neuer Sprecher des Repräsentantenhauses zu werden.
Kevin McCarthy ist seinem Lebensziel schon sehr nahe: Mit 188 zu 31 Stimmen gewann er das parteiinterne Rennen gegen einen Konkurrenten um die Nominierung zum Sprecher des Repräsentantenhauses. Dieser Posten ist laut Verfassung die dritthöchste Position in der amerikanischen Politik, gleich hinter Präsident Biden und Vizepräsidentin Harris. Noch hat die Demokratin Nancy Pelosi diese Funktion. Da die Republikaner bei den Kongresswahlen aber die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewonnen haben – wenn auch lange nicht so deutlich, wie von ihnen erhofft – muss Pelosi ihren Posten Anfang kommenden Jahres abtreten.
McCarthy ist jetzt Favorit, auch wenn er die eigentliche Wahl zum Sprecher im Jänner mit einer Mehrheit im gesamten Repräsentantenhaus erst gewinnen muss und das möglicherweise nicht ganz leicht wird. Schließlich muss er angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse Anhänger und Gegner von ExPräsident Donald Trump für sich gewinnen.
In puncto Trump laviert McCarthy seit Jahren herum. In Trumps erstem Wahlkampf stellte er sich einerseits schnell auf dessen Seite, erklärte aber später, Trump werde von KremlChef Putin bezahlt.
Während des von Trump angezettelten oder zumindest geduldeten Sturms auf das Kapitol am 6. Jänner 2021 befand McCarthy sich im Repräsentantenhaus und fürchtete um sein Leben. Er rief Trump an und wollte, dass dieser seine Leute zurückpfeife, sie würden versuchen, ihn umzubringen. Trump aber antwortete nur kühl: „Diese Leute lieben mich offenbar mehr als du.“McCarthy schrie zurück: „Mit wem glaubst du eigentlich, dass du sprichst!“
Vier Tage später telefonierte McCarthy mit Trumps innerparteilicher Intimfeindin Liz Cheney und sagte ihr, er werde Trump zum Rücktritt auffordern.
Geschehen ist das nicht. Wenig später reiste McCarthy zu Trump nach Florida und ließ sich lächelnd mit ihm gemeinsam fotografieren. Als wäre nichts geschehen. Später leugnete er, das Telefonat mit Liz Cheney geführt zu haben. Dummerweise gab es aber einen Mitschnitt.
Auch in der Ukrainepolitik ist McCarthy in seinen Ansichten höchst flexibel. Zu Beginn des Krieges warf er Präsident Biden vor, nicht genug für das von Putin überfallene Land zu tun. Vor wenigen Wochen erklärte er hingegen, dass die Republikaner, sollten sie die Kongresswahl gewinnen, die milliardenschweren Unterstützungen nicht mehr so leichtfertig durchwinken würden.
In einem Buch über Trump wurde McCarthy von dessen Autor mit dem Vorwurf konfrontiert, ein intellektuelles Leichtgewicht und ein Wendehals zu sein. „Ich mag diesen Ruf“, antwortet McCarthy. „Es ist gut, unterschätzt zu werden.“
Aus seiner Sicht hat er damit vermutlich recht.