„Nicht in Geiselhaft der Politik!“
Salzburger Festspiele: Putin-Kritikerin Marina Davydova Schauspiel-Chefin (2024)
In Russland war sie eine viel gefragte Theatertheoretikerin, die an mehreren Hochschulen Geschichte des westeuropäischen Theaters lehrte und Kurse über Theaterkritik an der Russischen Geisteswissenschaftlichen Universität leitete: Marina Davydova (56) ist ab 2024 Schauspiel-Chefin der Salzburger Festspiele.
Salzburgs Festspielintendant Markus Hinterhäuser arbeitete bereits einmal mit Davydova zusammen, und zwar bei den Wiener Festwochen 2016, als er deren Intendant war. „Da hat sie sich als Leiterin des Schauspiels hohe Reputation erworben!“
Nun holt er die viel gefragte Theaterexpertin, Autorin, Theaterkritikerin der „Iswestja“(vier Jahre lang) und Chefredakteurin der Zeitschrift „TEATR“, die in Russland als Expertin für politisches Theater geradezu einen Theaterboom auslöste, nach Salzburg.
Zu Beginn des UkraineKriegs hatte Davydova allerdings Russland verlassen müssen, da sie an Putins Politik und dem UkraineÜberfall öffentlich Kritik übte. Seither lebt sie in Berlin, arbeitet u. a. mit dem deutschen Theatermagazin „Theater heute“zusammen.
Ihren Salzburger Vertrag, der bis 2026 abgeschlossen wurde, tritt sie am 1. Oktober 2023 an.
Hinterhäuser erinnert an Davydovas Leistungen als künstlerische Leiterin des NET Festivals (New European Theatre) und Schauspiel-Leiterin der Wiener Festwochen, aber auch als Autorin und Regisseurin. Für Salzburg bestätigt er, dass der Schwerpunkt des Schauspiels auch unter Bettina Herings Nachfolgerin Davydova weiterhin auf dem deutschsprachigen Repertoire liegen wird, aber auch – „entsprechend unseres hohen Besucheranteils aus 76 Ländern – eine internationale Ausrichtung erfahren soll“.
Davydova gestern über ihre künstlerischen Leitlinien: „Künstler können in Zeiten politischer und sozialer Katastrophen ihre Ressourcen als Personen des öffentlichen Lebens nutzen, um zur Meinungsbildung beizutragen. Kunst sollte jedoch nicht in die Geiselhaft von politischen Umständen, aktuellen Trends oder Schwankungen der öffentlichen Meinung genommen werden. Sinn und Zweck der Kunst bleibt: das Leben in all seinen ontologischen, existenziellen und sozialen Aspekten zu ergründen.“
Davydova umreißt ihren Interessenschwerpunkt bei den Salzburger Festspielen: „die Suche nach der Tiefe und Überzeugungskraft des Theaters und der Theaterarbeit!“