China in der Ära Xi Jinping
⧁ Krieg um Taiwan hätte globalen Wirtschaftsinfarkt zur Folge ⧁ Privatwirtschaft muss sich der Parteikontrolle der KP beugen
China hat einen denkwürdigen Parteitag hinter sich. Er wird nicht ohne Folgen bleiben. Was können wir erwarten?
Die Ära des Xi Jinping ist gekennzeichnet durch die Überzeugung, dass China einen Entwicklungsstand erreicht hat, bei dem es auch seine Stärke zur Geltung bringen kann – ganz im Gegensatz zum Gebot des Reformpatriarchen Deng Xiaoping, wonach China in seinem Entwicklungsprozess möglichst wenig auffallen solle, um kein Misstrauen zu wecken. Xi Jinping besteht auf eine eigenständige Politik nach chinesischen Regeln.
Loyalität des Volkes durch Wohlstandsversprechen
Ebenso ist die Ära Xi gekennzeichnet durch den Kampf gegen die ausufernde Korruption des Herrschaftsapparates – wobei auch gleich politische Rechnungen beglichen werden.
Jobs sind das Um und Auf der Stabilität des politischen Systems in dem Reich der 1400 Millionen Menschen; – das entspricht EU mal zwei plus USA. Solange diese Menschen die Gewissheit haben können, dass es ihnen in ein, zwei, fünf Jahren besser geht als gestern und heute, werden sie nicht das Bedürfnis haben, dieses System zu zerstören. Die chinesische Job-Maschine der letzten Jahrzehnte durch Investitionen aus dem Ausland ist an ihre Leistungsgrenze gelangt, wenn schon chinesische Firmen ihre Produktion in billigere asiatische Länder auslagern.
Heute hat China zwar nach wie vor den größten Devisenschatz der Welt, aber eine Binnenverschuldung von mutmaßlich schon über 200 Prozent, wobei die Zentrale in Peking Mühe hat, den Überblick über die Verschuldung von Provinzen, Gemeinden, Schattenbanken etc. zu gewinnen.
Hat China die besten Jahre schon hinter sich?
Auf dem Parteitag hat Xi Jinping zwar den Höhepunkt seiner Macht erreicht, gleichzeitig aber auch viele Probleme geerbt, wenn nicht gar selbst erzeugt. Ab jetzt widerspricht ihm keiner mehr. Er wird auch nur zu hören bekommen, was er hören will.
Diese Entwicklung ist schädlich für China und gefährlich für die Welt. Was falsche Entscheidungen von Alleinherrschern anrichten können, wenn diese nur noch ihren Echokammern lauschen, zeigt der russische Überfall auf die Ukraine.
Auch in puncto Wirtschaft läuft das Land nun Gefahr, die besten Jahre schon hinter sich zu haben. Jüngste Daten lassen den Schluss zu, dass China an Fahrt verliert. Der inoffizielle Stillhaltepakt des Volkes mit dem Regime, bedingt durch dessen Wohlstandsversprechen, kommt ins Wanken.
Xi Jinping ist nicht gegen die Privatwirtschaft, aber sie muss sich der absoluten Kontrolle der Partei unterwerfen. Kontrollsucht würgt aber unternehmerisches Wagnis ab.
Es zeichnet sich schon länger ab, dass der Wirtschaftsmotor ins Stottern geraten ist. Chinas historisch einzigartiger BlitzAufstieg stößt an seine Grenzen. Die Gründe:
Erstens: Die Lockdowns der endlosen Null-CovidPolitik. Ursache ist die Sorge, dass ein Massenausbruch das Gesundheitssystem zum Zusammenbruch bringen könnte – mit möglicherweise 1,5 Millionen Todesopfern. Also nimmt Chinas Führung lieber in Kauf, durch immer neue Lockdowns, die immer mehr Ärger auslösen, wirtschaftliche Nachteile hinzunehmen, als das unkalkulierbare Risiko einer Massenseuche in China verantworten zu müssen.
Jüngste Signale aus Peking deuten jedoch auf eine Lockerung der Null-CovidMaßnahmen hin.
Es darf kein anderes Machtzentrum geben
Zweitens: Xi Jinpings eiserne Faust lenkt die Aufmerksamkeit auf die „gläserne Decke“von autoritären Regimen, welche ab einem gewissen Stadium die Weiterentwicklung und Entfaltung einer selbstbestimmten Gesellschaft behindert. Nicht zufällig sind Südkorea und Taiwan nach einer autoritären Aufbauphase Demokratien geworden. Heute stehen sie in Hochblüte.
Der Staats- und Parteichef nimmt die Folgen in Kauf, weil es neben der KP keine anderen Machtzentren geben darf. Das Resultat: Wirtschaft verunsichert, weniger Mut zu Neuerungen, weniger Jobs. Es werden also aus ideologischen Gründen Entscheidungen getroffen, die das Wirtschaftswachstum bremsen.
Verschärft wird die Problematik durch ein für China völlig neues Phänomen: Chinesinnen bekommen keine Kinder mehr bzw. viel zu wenige. Das Bevölkerungswachstum ist nach 37 Jahren Ein-Kind-Politik (1979–2016) bei null, demnächst negativ. Indien wird China hinsichtlich der Bevölkerungszahl (1,4 Mrd.) bald überholen. Wird China also alt (mit explodierenden Sozialkosten), bevor es wirklich reich geworden ist?
Was bedeutet die Ära Xi Jinping für Europa? Der Russland-Schock hat hyste
rische Sorgen über eine ebensolche Abhängigkeit von China ausgelöst. Es stimmt zwar, dass ohne China heute nichts mehr geht, aber man sollte doch die Kirche im Dorf lassen.
China hat jetzt zumindest einen Fuß im Hafen von Hamburg – wie schon in 14 anderen Häfen in Europa. Die Erfahrung von 60 anderen Projekten in der Welt zeigt, dass China klein beginnt und auf die Chance der Übernahme wartet – wie in Piräus. Die Chancen steigen, wenn Europa weiter an Kraft verliert.
Australiens Ex-Premier Kevin Rudd, der sprachkundig mit China vertraut ist wie kein anderer Westpolitiker, warnt im „Spiegel “Interview: „Xi Jinping will den Rest der Welt abhängig machen.“
Der deutsche Finanzminister Christian Lindner sagte kürzlich: „Wir sollten China nur erlauben, was auch uns in China erlaubt ist.“Und der langjährige Leiter der EU-Handelskammer in China, Jörg Wuttke, warnt: „China schafft Abhängigkeiten, die im Krisenfall China in die Hände spielen.“
Im Zuge seiner Disziplinierungspolitik und nach massiven Korruptions- und Misswirtschafts-Skandalen von Konzernbossen hat Chinas Führung zuletzt dem Spielraum des Privatunternehmertums deutliche Grenzen gesetzt und will den Einfluss der Kommunistischen Partei in der Wirtschaft ausweiten. Dabei kommt ihr die breite Unzufriedenheit mit dem aberwitzigen Reichtum chinesischer Oligarchen zugute. Xi verspricht eine Politik des sozialen Ausgleichs.
Die Taiwan-Frage ist über den innerchinesischen Konflikt hinaus zu einem Konflikt der Systeme Demokratie und Diktatur geworden. Man sagt Xi nach, dass er die Wiedervereinigung zu seiner Lebensaufgabe für die Geschichtsbücher gemacht hat.
Die Probleme Russlands mit dem Krieg in der Ukraine werden Peking bis auf Weiteres vorsichtig werden lassen, denn auch Taiwan würde aus allen Rohren schießen, um die Demokratie zu verteidigen. Auch hat sich Washington nun eindeutig zum militärischen Eingreifen verpflichtet.
Ein militärischer Konflikt in der Straße von Taiwan hätte viel größere globale Auswirkungen als der Krieg in der Ukraine. Bei einem Angriff auf Taiwan bräche die Halbleiterproduktion zusammen, ganz zu schweigen von den Lieferketten. Der Welt würde dann ein globaler Wirtschaftsinfarkt drohen.