„Die Nase im Wind“
Hans Magnus Enzensberger starb mit 93
Ein „Allrounder“, mit Gespür für Trends, Tendenzen, Polit-Bewegungen: Das war Hans Magnus Enzensberger (1929 bis 2022), der deutsche Dichter, Herausgeber, Übersetzer, Redakteur. Nun starb er 93-jährig in München. „Er hat die Nase immer im Wind“, sagte der prominente Philosoph Jürgen Habermas über ihn.
Nach dem Studium der Philosophie und und Literaturwissenschaft arbeitete der Beamtensohn bis 1957 beim Süddeutschen Rundfunk. 1957 publizierte er neben sprachkritischen Radio-Essays seinen ersten Gedichtband „verteidigung der wölfe“, Sprachspiele voll Weltekel, politischer Empörung.
Er nahm an Tagungen der berühmten Gruppe 47 – mit Heinrich Böll, Helmut Heißenbüttel u. a. – teil, arbeitete in Norwegen, Rom, bei Suhrkamp in Frankfurt. 33-jährig erhielt er den Georg-Büchner-Preis.
Auf dem Friedenskongress des sowjetischen Schriftstellerverbandes faszinierte ihn die Schriftstellertochter Maria Makarowa, für die er 1966 seine Frau Dagrun verließ. Von 1965 bis 1975 gab er, der zu einer der Orientierungsfiguren der 68er-Bewegung geworden war, die berühmte Zeitschrift „Kursbuch“heraus. Als Peter Weiss ihn aufforderte, sich solidarisch auf die Seite der revoltierenden Studenten zu stellen, lehnte er es aber ab, „mit Bekenntnissen um sich zu schmeißen“, pflegte aber enge Kontakte zur Kommune I. 1980 gründete er das Kulturmagazin „TransAtlantik“, dann die Buchreihe „Die Andere Bibliothek“.
Aus politischen Tagesstreitigkeiten zog er sich zurück. Zahllose Essay- und Gedichtbände, sogar Theaterstücke erschienen zu den Themen Migration, Gewalt, Intelligenzforschung. Sein Versepos „Der Untergang der Titanic“wurde von George Tabori 1979 in München uraufgeführt. 2013 arbeitete er mit Peter Sehr an einer Verfilmung des Lebens Lichtenbergs.
Seine Stärke waren seine schillernde Faszinationskraft und seine Voraussicht, politische Themen, etwa der „68er“, anzuzünden. Ein Buch über Hitler trug ihm aber auch den Vorwurf ein, den „deutschen Faschismus zum Exportartikel“gemacht zu haben.