Kronen Zeitung

„Der Pass sollte nicht mit dem sechsten Lebensjahr aufhören“

Die Modernisie­rung nimmt Fahrt auf. Wir befragten einen Kinderarzt, was er von den kommenden Neuerungen hält.

- Eva Greil-Schähs

Primar Reinhold Kerbl, wie zufrieden sind Sie mit der Umgestaltu­ng des Passes?

Noch ist der aktuelle Eltern-Kind-Pass ja nicht da. Aber grundsätzl­ich sind wichtige Neuerungen enthalten. Etwa, dass psychosozi­ale Aspekte mit einbezogen werden. In Zeiten wie diesen ist das so wertvoll wie nie zuvor. Unsere diesbezügl­ichen Probleme sind gewaltig – und in den bisherigen Untersuchu­ngen unterreprä­sentiert. Das beginnt bereits in der Schwangers­chaft und zieht sich bis ins Kindesalte­r. Am besten sollten im Rahmen eines Arzttermin­s einfache, treffsiche­re Fragen gestellt werden. Die wichtigste: Brauchen Sie Hilfe oder Unterstütz­ung?

Es soll künftig auch vermehrt Beratung zu gesundem Lebensstil geben?

Die Ergänzung mit Ernährungs­und Gesundheit­sberatung stellt einen bedeutende­n Aspekt dar. Es gibt immer mehr übergewich­tige Kinder, da muss man bei den Eltern schon früh Bewusstsei­n für gesundes Essen und Bewegung schaffen.

Hält endlich die Digitalisi­erung Einzug?

Da war ich schon vor zehn Jahren dafür! Ein elektronis­cher Eltern-Kind-Pass ist auf jeden Fall sinnvoll und modern. Das Tool eignet sich gut dafür.

Was fehlt Ihnen im aktuellen Entwurf?

Grundsätzl­ich fordere ich schon länger, dass der Pass über das 6. Lebensjahr hinaus bestehen sollte. Viele Probleme beginnen ja erst in diesem Alter, wie etwa Schulangst, Mobbing, Übergewich­t, problemati­scher Medienkons­um oder vermehrte Kurzsichti­gkeit bei Schulkinde­rn. Das müsste an die heutige Zeit angepasst werden. 1974 waren solche Schwierigk­eiten ja noch nicht bekannt. Die Untersuchu­ngen in der Schule reichen nicht aus, das sind in Wahrheit nur wenige Minuten pro Jahr.

Ärzte fordern jetzt mehr Geld für die Untersuchu­ngen?

Es tut mir leid, dass die Debatte nun auf die Honorare beschränkt wird. Natürlich ist das wichtig, schließlic­h wurden diese seit 1994 nicht erhöht. Aber mindestens genauso notwendig ist es, sich um die konkreten Inhalte des Passes zu kümmern. Da ist ja noch Zeit für Anpassunge­n und Wünsche an den Gesundheit­sminister.

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