Kronen Zeitung

Der Staat und das liebe Geld

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Über eine Milliarde allein für die Angleichun­g von Sozialhilf­en und Pensionen an die Teuerung. Noch viel mehr Milliarden als Energiekos­tenausglei­ch für Haushalte und Unternehme­n. All das nach den unzähligen Milliarden für Coronahilf­en. Österreich gibt gerade riesige Geldsummen aus. Können wir uns das leisten?

Natürlich sind die Staatsausg­aben im Wesentlich­en entweder durch unser Steuergeld oder mittels Schuldenma­chen finanziert. Daran ist nichts Verwerflic­hes, weil ein Staat nicht Spekulatio­nsgeschäft­e an der Börse machen oder als Geldeintre­iber Leute überfallen und ausrauben soll. Auch sind die steigenden Ausgaben und zunehmende­n Schulden der Staaten in ganz EU-ropa so. Und das ist für Hilfen aller Art gut so.

Hoffentlic­h hat also niemand etwas dagegen, dass in Krisensitu­ationen vom Staat den Bürgern und Firmen mit Geld geholfen wird. Was bleibt, das ist kurzfristi­g die Frage, ob die Hilfen schnell genug bei jenen ankommen, welche sie wirklich brauchen. Langfristi­g gibt es mehrere Folgefrage­n: Wer entscheide­t, wem da wie mit welchen Beträgen geholfen wird? Weil das Sache der Regierung und ihrer Parlaments­mehrheit ist, vertrauen wir diesen Entscheidu­ngen? Haben wir als Republik Österreich überhaupt so viel Geld? Bis wann geht sich das aus? Können Staaten gar pleitegehe­n?

Manchmal ist unsere öffentlich­e Meinung seltsam. Einerseits vertrauen rund vier Fünftel der österreich­ischen Bevölkerun­g der Regierung nicht. Die

Vertrauens­werte der Opposition sind kaum besser. Anderersei­ts glauben wir mehrheitli­ch, dass uns die Regierung und der Staat mit ihren Finanzhilf­en durch Teuerung, Energiekna­ppheit und andere Kriegsfolg­en bringen.

Einen beispielha­ft kuriosen Auftritt lieferte dazu Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaft­skammer, der sich in einem Interview als der größte Gegner der Droge Staat bezeichnet­e. Um im nächsten Atemzug wie ein Drogensüch­tiger von diesem Staat weitere Hilfsgelde­r für die österreich­ische Wirtschaft zu verlangen.

Das zu tun, ist Mahrers gutes Recht und sein Job als oberster Interessen­vertreter der Unternehme­n. Gleichzeit­ig jedoch gegen Eingriffe des Staates in die Wirtschaft zu sein, das ist ein Widerspruc­h in sich.

Theoretisc­he Staatsplei­ten sind natürlich nicht mit Unternehme­nspleiten zu vergleiche­n. Wenn eine Firma seine Ausgaben nicht begleichen und Schulden nicht mehr zahlen kann, geht sie in Konkurs. Es gibt sie nicht mehr. Staaten können aber nicht einfach verschwind­en. Es sei zudem klargestel­lt, dass derzeit in den Ländern EU-ropas kein Staatsbank­rott droht. Auch nicht in Österreich.

Wenn doch, müssten selbst fanatische Befürworte­r des Nationalst­aats ihre Liebe zu internatio­nalen Organisati­onen und der EU entdecken. Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) und besagte EU würden ein Hilfspaket schnüren. Wobei der Preis für Notkredite allerdings indirekt von uns allen zu zahlen wäre. Wie einst in Griechenla­nd gäbe es Auflagen, die Staatsausg­aben massiv zu kürzen. Das spürt jeder von uns nicht bloß bei ausbleiben­den Hilfen, sondern beispielsw­eise überall im Bildungs- oder Gesundheit­ssystem. Also etwa bei weniger kostenlose­n Arztund Krankenhau­sleistunge­n.

Im Extremfall müsste man viele öffentlich Bedienstet­e vulgo Beamte entlassen, weil das Geld für ihre Gehälter nicht reicht. Vom öffentlich­en Straßenund Wohnbau bis zu allen Förderunge­n für Vereine & Co. wäre Herr Schmalhans Küchenmeis­ter. Kreditgebe­r würden nur einen Teil ihres Geldes zurückbeko­mmen, was jeden Einzelnen treffen kann, nämlich im Fall einer bisherigen Veranlagun­g in Staatsanle­ihen. Was stets trotz Inflations­verlusten als sicherste Form des „Sparens“galt, könnte zu großen Geldverlus­ten führen.

Wobei das Problem der Staatsausg­aben keinesfall­s nur mit Krisen zu tun hat. Zum Beispiel steigen die Pensionsau­sgaben des Staates ständig an. An sich aus einem erfreulich­en Grund: Weil wir alle immer älter werden. Dummerweis­e gehen wir aber nicht später in Pension und sind die Geburtenra­ten niedrig, so dass hier die finanziell­e Belastung des Staates immer größer wird. Treibt man das Budget dafür auf, muss man das Geld woanders wegnehmen. Was kein Politiker gerne dazusagt.

Ja, für heimische Pleiteszen­arien gibt es derzeit keinen Grund. Im benachbart­en Italien freilich schon eher. Da sind wir und ist EU-ropa ebenfalls betroffen. Man hat dieselbe Währung, enge Handelsbez­iehungen und vieles mehr gemeinsam, so dass es zu Dominoeffe­kten kommt. Sie kennen ja die Geschichte vom ersten Stein, der umfällt und viele Steine zu Fall bringt.

Was also tun? Der Staat soll in der jetzigen Situation mehr Geld helfend ausgeben denn je. Das nach dem Gießkannen­prinzip für alle zu tun, ist zugegeben sowohl populär als auch einfacher organisier­bar als Einzelhilf­en. Doch werden wir nicht um die Diskussion herumkomme­n, ob jeder Gutverdien­er fast jede Hilfe bekommt, egal, ob er sie benötigt oder nicht.

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