Abgekühlte Funken der Revolution
Im Burgtheater griff man tief ins Ensemble-Schatzkästchen, um Dostojewskis Riesenroman „Die Dämonen“auf die Bühne zu wuchten. Regisseur Johan Simons erarbeitet das mit nüchterner Präzision, aber wenig Vision und serviert Stückchenwerk, das nur partiell packt.
Man erlebt einen überlangen und eher saftlosen Abend. Viel bräuchte es nicht für großes Theater. Sessel, ein Kanapee, Tische (Bühne: Nadja Sofie Eller) auf weiter Spielfläche genügen Johan Simons für einen über vierstündigen Theaterabend. Fehlt nur noch ein Theatertext. Dostojewskis aus zwei früheren Romanen zusammengebaute Schwarte Weltliteratur ist es diesmal nicht. Da mag noch so geschickt von Sebastian Huber aus Svetlana Geiers Übersetzung die Spielfassung gebastelt sein. Es ist und muss wohl Szenengestückel bleiben, oft nur Anriss, unterschiedlich spannend, mal verständlicher, mal weniger, bis noch schnell der Reihe nach gestorben wird, damit endlich Schluss sein kann.
Die Revolution glimmt lange, bis es brennt. Jan Bülow heizt sie als Pjotr Werchowenskij mit lockerem Intrigenspiel lustvoll an. Die Frage nach Gott, nach neuen Gesellschaftsordnungen, nach Utopien wird abgehandelt. Pjotr möchte den Adeligen Nikolaj Stawrogin (Nicholas Ofczarek) als Führer für seine „Bewegung“gewinnen. Doch der kämpft selbst mit seinen Dämonen, im zweiten Teil wird von seinem Missbrauch an einem Mädchen berichtet. Hier endlich gewinnt Ofczarek Kontur.
Simons nimmt sich großzügig Zeit, das Personal einzuführen: Maria Happel als heiter-brutal Fäden ziehende Warwara, die Pjotrs Vater Stepan, den Möchtegerndichter (Oliver Nägele), lustvoll quält. Birgit Minichmayr als reiche Lisa Tuschina: eine exaltiert die Reitgerte schwingende Femme fatale. Sarah Viktoria Frick hoppelt als behinderte Marja drollig, als würde sie ein Luft-Steckpferd reiten. Simons stellt sie mit Slapstick allzu unverhohlen aus. Ihren brutalen Bruder Ignat legt Marcel Heuperman laut eindimensional an, während sich Itay Tiran als Schatow sympathisch in seinem religiösen Fundamentalismus verrennt.
Ernest Allan Hausmann gibt dem Kirillow in kurzen Momenten bis zum strategischen Selbstmord Profil, Dagna Litzenberger-Vinet verblasst als herumgeschobene Dascha, Markus Hering hält als Liputin die Revolution am Laufen. Eine Revolution, deren Funken auf dem Weg zur Bühne abgekühlt sind.