Kronen Zeitung

Abgekühlte Funken der Revolution

- Stefan Musil

Im Burgtheate­r griff man tief ins Ensemble-Schatzkäst­chen, um Dostojewsk­is Riesenroma­n „Die Dämonen“auf die Bühne zu wuchten. Regisseur Johan Simons erarbeitet das mit nüchterner Präzision, aber wenig Vision und serviert Stückchenw­erk, das nur partiell packt.

Man erlebt einen überlangen und eher saftlosen Abend. Viel bräuchte es nicht für großes Theater. Sessel, ein Kanapee, Tische (Bühne: Nadja Sofie Eller) auf weiter Spielfläch­e genügen Johan Simons für einen über vierstündi­gen Theaterabe­nd. Fehlt nur noch ein Theatertex­t. Dostojewsk­is aus zwei früheren Romanen zusammenge­baute Schwarte Weltlitera­tur ist es diesmal nicht. Da mag noch so geschickt von Sebastian Huber aus Svetlana Geiers Übersetzun­g die Spielfassu­ng gebastelt sein. Es ist und muss wohl Szenengest­ückel bleiben, oft nur Anriss, unterschie­dlich spannend, mal verständli­cher, mal weniger, bis noch schnell der Reihe nach gestorben wird, damit endlich Schluss sein kann.

Die Revolution glimmt lange, bis es brennt. Jan Bülow heizt sie als Pjotr Werchowens­kij mit lockerem Intrigensp­iel lustvoll an. Die Frage nach Gott, nach neuen Gesellscha­ftsordnung­en, nach Utopien wird abgehandel­t. Pjotr möchte den Adeligen Nikolaj Stawrogin (Nicholas Ofczarek) als Führer für seine „Bewegung“gewinnen. Doch der kämpft selbst mit seinen Dämonen, im zweiten Teil wird von seinem Missbrauch an einem Mädchen berichtet. Hier endlich gewinnt Ofczarek Kontur.

Simons nimmt sich großzügig Zeit, das Personal einzuführe­n: Maria Happel als heiter-brutal Fäden ziehende Warwara, die Pjotrs Vater Stepan, den Möchtegern­dichter (Oliver Nägele), lustvoll quält. Birgit Minichmayr als reiche Lisa Tuschina: eine exaltiert die Reitgerte schwingend­e Femme fatale. Sarah Viktoria Frick hoppelt als behinderte Marja drollig, als würde sie ein Luft-Steckpferd reiten. Simons stellt sie mit Slapstick allzu unverhohle­n aus. Ihren brutalen Bruder Ignat legt Marcel Heuperman laut eindimensi­onal an, während sich Itay Tiran als Schatow sympathisc­h in seinem religiösen Fundamenta­lismus verrennt.

Ernest Allan Hausmann gibt dem Kirillow in kurzen Momenten bis zum strategisc­hen Selbstmord Profil, Dagna Litzenberg­er-Vinet verblasst als herumgesch­obene Dascha, Markus Hering hält als Liputin die Revolution am Laufen. Eine Revolution, deren Funken auf dem Weg zur Bühne abgekühlt sind.

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