Kronen Zeitung

Tunesier strömen nach Europa

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Jeder von uns, der darüber liest, wundert sich und fragt zu Recht, warum derart viele Tunesier derzeit illegal nach Europa kommen. Hat es sich nicht auch in Nordafrika herumgespr­ochen, dass wir in einer der schlimmste­n Rezessione­n seit Langem sind? Tunesiens junge Männer haben nach dem arabischen Pseudofrüh­ling 2011 eine Demokratie in ihrem Land erkämpft. Kein Diktator herrscht dort, wie in vielen anderen arabischen Ländern. Das Land beherbergt jährlich viele europäisch­e Touristen und kann daraus auch beachtlich­e Einnahmen lukrieren. Was also treibt die Tunesier nach Europa? Die Chance auf Ergattern eines schwarzen Billigjobs irgendwo in Italien oder Frankreich im Gastronomi­egewerbe? Oder eine soziale Hängematte in Deutschlan­d oder Österreich zumindest während der kommenden Wintermona­te? Jeder in Tunesien weiß mittlerwei­le, dass man auch bei Asylablehn­ung einige Monate in der EU von der Allgemeinh­eit versorgt wird. Und dass diese Versorgung weit über dem liegt, was man während der Wintermona­te in Tunesien an Einkommen erzielen kann. Zwei Dinge bewahrheit­en sich in diesem Zusammenha­ng daher einmal mehr:

Erstens, dass die Genfer Flüchtling­skonventio­n nicht mehr für die Herausford­erungen der heutigen Zeit brauchbar ist und sofort neu verhandelt werden sollte.

Zweitens, dass eine nach wie vor sperrangel­weit offene EU-Außengrenz­e natürlich einen Pulleffekt generiert, welcher noch viele weitere mehrheitli­ch junge Männer auf der Suche nach einem angenehmer­en Leben in die EU strömen lässt. Viele Diktatoren freut das übrigens auch – nimmt ihnen die EU doch verlässlic­h jene lästigen Kritiker ab, die ihre eigene Herrschaft gefährden könnten.

Martin Krämer, per E-Mail

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